Schlosswil - «Ich will der Region etwas zurückgeben»
Der Schlossherr, Medienforscher und Buchautor Matthias Steinmann will das Schloss Wyl für die Öffentlichkeit sichern. Es gehe nicht um ihn, betont er. «Ich brauche kein zweites Schloss, ich habe ja bereits eines.»
Simon Wälti / Der Bund
Seit 30 Jahren ist Matthias Steinmann Schlossherr. Das Datum des Kaufes hat der 67-jährige frühere Professor für Medienwissenschaften präsent. Es war der 31. 1. 1980. In diesen drei Jahrzehnten ist viel Herzblut, Zeit und Geld in die Restaurierung von Schloss Ursellen in der Gemeinde Konolfingen geflossen. «In den letzten dreieinhalb Jahren haben wir den Garten gemacht.» Steinmann ist stolz auf die schmiedeisernen Geländer mit dem golden glänzenden Blattwerk. Dann zeigt er auf die Steinpavillons mit Ruhebänkchen und schuppenartigen Kupferziegeln auf dem Dach – kunstvolle Nachbildungen. «Der Garten war das Dessert.» Denn nun hat Steinmann das ganze Schlösschen, eine barocke Campagne, die 1712 erbaut wurde, umfassend und originalgetreu renoviert. «Es ist ein teures Hobby. Aber alle hundert Jahre braucht es einen, der alles in Ordnung bringt», sagt Steinmann, der sein Geld mit der Messung der Einschaltquoten bei Radio und Fernsehen gemacht hat. Die kürzlich erschienene «autorisierte» Biografie trägt denn auch den Titel «Der Herr der Quoten». Eine kleine schwarze Box auf dem Fernseher misst in der Schweiz und in vielen Ländern, was sich die Menschen anschauen. Mit Telecontrol und weiteren Firmen hat Steinmann viel Geld gemacht.
Ursellen wurde in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege renoviert. «Es ist ein fortlaufender Prozess, ich könnte bald wieder von vorne anfangen.» Nun will er auch noch das Schloss Wyl mit einer Stiftung erwerben. Reicht ihm ein Schloss alleine nicht? «Man kann sagen: Jetzt geht er ein Schloss weiter», scherzt Steinmann. Dann wird er ernster. «Es geht nicht um mich, ich habe bereits ein Schloss, ich brauche kein zweites, ich bin eingedeckt.» Über den Grund für sein Engagement sagt er: «Ich will der Region etwas zurückgeben.» Der vielgereiste und polyglotte Medienforscher betont seine Wurzeln. «Steinmann ist ein Bauerngeschlecht aus Gysenstein.» Doch ein Bauernsohn ist der Millionär dann doch nicht. Sein Vater war Medizinprofessor an der Uni. Und er ist nicht auf einem Bauernhof, sondern in Bern und in einem Internat in Samedan aufgewachsen.
Gysenstein liegt auf halbem Weg zwischen dem lieblichen Schlösschen Ursellen und dem trutzigen, burgartigen Schloss Wyl, wo die schnurgerade Allee die Autorität und die Macht der bernischen Obrigkeit, die hier seit Jahrhunderten verwaltet und Gericht hält, noch unterstreicht. Doch der Kanton hat keinen Verwendungszweck mehr für seine Burgen und Schlösser und will sie zu Geld machen. Die Idee, das Schloss zu kaufen, stammt nicht von Steinmann selber. An seinem 65. Geburtstag traten der Gemeindepräsident von Konolfingen und der Regierungsstatthalter an ihn heran mit dem Wunsch, er solle das Schloss kaufen. Steinmann reichte beim Kanton ein Angebot ein: «Das Schloss muss unbedingt der Öffentlichkeit erhalten bleiben.» Hochzeiten, Seminare, kulturelle Veranstaltungen, Wellnesskurse sollen dort stattfinden.
Mit zwei Wohnungen, auf die kleinere hat die Familie des Stifters Anspruch, und Vermietungen der öffentlichen Räume soll Geld hereinkommen. Steinmann rechnet mit Anfangsinvestitionen von 800 000 Franken und jährlichen Einnahmen von 150 000 Franken. Das Budget der Stiftung bewegt sich in der Grössenordnung von 250 000 Franken. «Ich rechne damit, dass wir das Schloss langfristig halten können, ich gehe kein unkalkulierbares Risiko ein.» Defizite deckt Steinmann aus dem eigenen Sack. Steinmann hofft, dass nun auch die 19 Gemeinden der Region Kiesental Ja zum Projekt sagen werden (siehe Kasten). Auch sie sollen ihren Beitrag leisten. «Seit 850 Jahren gibt es das Schloss, jetzt kann die Bevölkerung zum ersten Mal etwas dazu sagen.» Allerdings stehen und fallen die Pläne mit dem Verkäufer, dem Kanton. Dem Vernehmen nach gibt es ein weiteres Angebot. «Das Schloss sollte nicht in die Hände eines irischen Lords oder eines russischen Oligarchen fallen», findet Steinmann. Wenn der Kanton aber nur aufs Geld schaut, dann darf er das Schloss nicht Steinmann und der Region Kiesental geben. Denn ein Privater wäre wohl eher bereit, die 6,6 Millionen Franken auf den Tisch zu legen, welche das Schloss wert sein soll. Die Stiftung könne nicht so viel zahlen, wie hoch sein Angebot ist, will Steinmann nicht sagen.
Die Wände im Schloss Ursellen sind über und über mit Bildern behängt. In einem der mehr als vier Meter hohen Zimmer sind es Bilder von Schiffen, in einem anderen Landschaftsgemälde, und in einem dritten blickt von alten Stichen Napoleon in Feldherrenpose auf das Geschehen im Bernbiet. Hier folgt nun Steinmanns Bonmot, dass Napoleon dafür gesorgt habe, dass er heute Schlossherr sein könne – indem dieser nämlich Ende des 18. Jahrhunderts das Ancien Régime hinweggefegt habe. «Die ersten drei Stiche habe ich von der Mutter erhalten.» Im letzten Jahr hat er für seine Medienforschung und die engen Beziehungen zu Deutschland das Bundesverdienstkreuz erhalten. «1. Klasse», sagt Steinmann, als er den auf blauen Samt gebetteten Orden zeigt. Im März hat ihn auch die Wohngemeinde Konolfingen geehrt. Am Anlass habe die Bevölkerung lang anhaltenden Beifall gespendet. «Ich denke, sie haben nicht wegen des Verdienstkreuzes geklatscht, sondern wegen des Engagements für das Schloss.» Er hat den Eindruck, dass das Projekt in der Bevölkerung grossen Rückhalt geniesst.
Früher wurden auf Schloss Ursellen rauschende Feste gefeiert, und auf dem grossen Dachboden wurde eifrig Theater gespielt. Steinmann war Präsident der Theatergesellschaft 1230. Jetsetter und Pilot Steinmann ist mit den Jahren sesshafter geworden, ein Wandervogel ist er dennoch geblieben. Im Schirmständer beim Eingang stehen die Walkingstöcke griffbereit. Mit seiner Frau, einer gebürtigen Thailänderin, hat er im letzten Jahr die Schweiz von Rorschach nach Genf auf dem Jakobsweg erwandert. Am 25. April geht es wieder los: nun von Basel ins Tessin. Am 28. Mai folgt eine Etappe des Jakobswegs von Cahors in Frankreich bis über die Pyrenäen. Im Herbst will Steinmann den Jakobsweg nach Santiago de Compostela vollenden. Und einmal pro Woche geht er die 23 Kilometer von Ursellen bis nach Bern in sein Büro zu Fuss. «Der Ballast fällt ab, man fühlt sich frei und unbeschwert.» Es sei nun die «Zeit des Loslassens» für ihn gekommen. Er spricht von Verinnerlichung und Freiheit. «Die letzte Etappe des Jakobswegs wird das Highlight des Jahres.» Und was ist mit dem Schloss Wyl auf der anderen Seite des Hügels? Die Antwort scheint dem Schlossherrn leicht zu fallen: «Wenn ich wählen müsste zwischen dem Schloss und dem Wandern, würde ich mich für das Wandern entscheiden.»
Ursellen wurde in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege renoviert. «Es ist ein fortlaufender Prozess, ich könnte bald wieder von vorne anfangen.» Nun will er auch noch das Schloss Wyl mit einer Stiftung erwerben. Reicht ihm ein Schloss alleine nicht? «Man kann sagen: Jetzt geht er ein Schloss weiter», scherzt Steinmann. Dann wird er ernster. «Es geht nicht um mich, ich habe bereits ein Schloss, ich brauche kein zweites, ich bin eingedeckt.» Über den Grund für sein Engagement sagt er: «Ich will der Region etwas zurückgeben.» Der vielgereiste und polyglotte Medienforscher betont seine Wurzeln. «Steinmann ist ein Bauerngeschlecht aus Gysenstein.» Doch ein Bauernsohn ist der Millionär dann doch nicht. Sein Vater war Medizinprofessor an der Uni. Und er ist nicht auf einem Bauernhof, sondern in Bern und in einem Internat in Samedan aufgewachsen.
Gysenstein liegt auf halbem Weg zwischen dem lieblichen Schlösschen Ursellen und dem trutzigen, burgartigen Schloss Wyl, wo die schnurgerade Allee die Autorität und die Macht der bernischen Obrigkeit, die hier seit Jahrhunderten verwaltet und Gericht hält, noch unterstreicht. Doch der Kanton hat keinen Verwendungszweck mehr für seine Burgen und Schlösser und will sie zu Geld machen. Die Idee, das Schloss zu kaufen, stammt nicht von Steinmann selber. An seinem 65. Geburtstag traten der Gemeindepräsident von Konolfingen und der Regierungsstatthalter an ihn heran mit dem Wunsch, er solle das Schloss kaufen. Steinmann reichte beim Kanton ein Angebot ein: «Das Schloss muss unbedingt der Öffentlichkeit erhalten bleiben.» Hochzeiten, Seminare, kulturelle Veranstaltungen, Wellnesskurse sollen dort stattfinden.
Mit zwei Wohnungen, auf die kleinere hat die Familie des Stifters Anspruch, und Vermietungen der öffentlichen Räume soll Geld hereinkommen. Steinmann rechnet mit Anfangsinvestitionen von 800 000 Franken und jährlichen Einnahmen von 150 000 Franken. Das Budget der Stiftung bewegt sich in der Grössenordnung von 250 000 Franken. «Ich rechne damit, dass wir das Schloss langfristig halten können, ich gehe kein unkalkulierbares Risiko ein.» Defizite deckt Steinmann aus dem eigenen Sack. Steinmann hofft, dass nun auch die 19 Gemeinden der Region Kiesental Ja zum Projekt sagen werden (siehe Kasten). Auch sie sollen ihren Beitrag leisten. «Seit 850 Jahren gibt es das Schloss, jetzt kann die Bevölkerung zum ersten Mal etwas dazu sagen.» Allerdings stehen und fallen die Pläne mit dem Verkäufer, dem Kanton. Dem Vernehmen nach gibt es ein weiteres Angebot. «Das Schloss sollte nicht in die Hände eines irischen Lords oder eines russischen Oligarchen fallen», findet Steinmann. Wenn der Kanton aber nur aufs Geld schaut, dann darf er das Schloss nicht Steinmann und der Region Kiesental geben. Denn ein Privater wäre wohl eher bereit, die 6,6 Millionen Franken auf den Tisch zu legen, welche das Schloss wert sein soll. Die Stiftung könne nicht so viel zahlen, wie hoch sein Angebot ist, will Steinmann nicht sagen.
Die Wände im Schloss Ursellen sind über und über mit Bildern behängt. In einem der mehr als vier Meter hohen Zimmer sind es Bilder von Schiffen, in einem anderen Landschaftsgemälde, und in einem dritten blickt von alten Stichen Napoleon in Feldherrenpose auf das Geschehen im Bernbiet. Hier folgt nun Steinmanns Bonmot, dass Napoleon dafür gesorgt habe, dass er heute Schlossherr sein könne – indem dieser nämlich Ende des 18. Jahrhunderts das Ancien Régime hinweggefegt habe. «Die ersten drei Stiche habe ich von der Mutter erhalten.» Im letzten Jahr hat er für seine Medienforschung und die engen Beziehungen zu Deutschland das Bundesverdienstkreuz erhalten. «1. Klasse», sagt Steinmann, als er den auf blauen Samt gebetteten Orden zeigt. Im März hat ihn auch die Wohngemeinde Konolfingen geehrt. Am Anlass habe die Bevölkerung lang anhaltenden Beifall gespendet. «Ich denke, sie haben nicht wegen des Verdienstkreuzes geklatscht, sondern wegen des Engagements für das Schloss.» Er hat den Eindruck, dass das Projekt in der Bevölkerung grossen Rückhalt geniesst.
Früher wurden auf Schloss Ursellen rauschende Feste gefeiert, und auf dem grossen Dachboden wurde eifrig Theater gespielt. Steinmann war Präsident der Theatergesellschaft 1230. Jetsetter und Pilot Steinmann ist mit den Jahren sesshafter geworden, ein Wandervogel ist er dennoch geblieben. Im Schirmständer beim Eingang stehen die Walkingstöcke griffbereit. Mit seiner Frau, einer gebürtigen Thailänderin, hat er im letzten Jahr die Schweiz von Rorschach nach Genf auf dem Jakobsweg erwandert. Am 25. April geht es wieder los: nun von Basel ins Tessin. Am 28. Mai folgt eine Etappe des Jakobswegs von Cahors in Frankreich bis über die Pyrenäen. Im Herbst will Steinmann den Jakobsweg nach Santiago de Compostela vollenden. Und einmal pro Woche geht er die 23 Kilometer von Ursellen bis nach Bern in sein Büro zu Fuss. «Der Ballast fällt ab, man fühlt sich frei und unbeschwert.» Es sei nun die «Zeit des Loslassens» für ihn gekommen. Er spricht von Verinnerlichung und Freiheit. «Die letzte Etappe des Jakobswegs wird das Highlight des Jahres.» Und was ist mit dem Schloss Wyl auf der anderen Seite des Hügels? Die Antwort scheint dem Schlossherrn leicht zu fallen: «Wenn ich wählen müsste zwischen dem Schloss und dem Wandern, würde ich mich für das Wandern entscheiden.»