Schlosswil - Das letzte Gericht in herrschaftlichen Gemächern

Fast 200 Jahre lang hat das kleine Schloss Wyl in Schlosswil als Amtssitz des Kantons Bern gedient. Damit ist es jetzt vorbei. Gestern fand unter Gerichtspräsident Hans Rudolf Burri die letzte Gerichtsverhandlung statt.

Elsbeth Wagner, Berner Zeitung BZ
«Wir werden diese Verhandlung etwas zelebrieren.» Das kündigte Hans Zwahlen schon vor dem grossen Moment an. Zwahlen ist Geschäftsleiter des Gerichtskreises Konolfingen. Mit der Justizreform wird auch dieser Gerichtskreis per Ende Jahr aufgehoben. Gestern fand im historischen Schloss Wyl die letzte Gerichtsverhandlung statt. Ab dem 1. Januar 2011 gehört das Gebiet neu zum Regionalgericht Bern-Mittelland.

Dann wird das Schloss vorderhand leer stehen. Mit der letzten Verhandlung gestern Morgen ging indessen nicht nur die 200-jährige Tätigkeit der bernischen Justiz in Schlosswil zu Ende. Auch für Gerichtspräsident Hans Rudolf Burri war es die letzte Verhandlung vor seiner Pensionierung. Zu diesem, wie er sagte, «etwas besonderen Anlass» konnte er im Gerichtssaal nebst all seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch Obergerichtspräsident Christian Trenkel sowie Vertreter des Kantons und der Gemeinde Schlosswil begrüssen.

«Längizyti» wird bleiben

«Dieser Saal hat viel erlebt», sagte der scheidende Gerichtspräsident rückblickend. «Von der Autoreparatur bis hin zu Mord und Totschlag wurden hier alle Facetten der Gesellschaft diskutiert und beurteilt.» Nach 36 Jahren müsse er sich nun vom Schloss und von der bernischen Justiz verabschieden.

Er gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge, sagte Hans Rudolf Burri später gegenüber dieser Zeitung, «oder eigentlich mit eineinhalb weinenden Augen». Das Schloss mit seiner wunderbaren Aussicht über die Emmentaler Hügel sei für ihn ein zweites Daheim geworden, und er werde bestimmt noch eine gewisse Zeit «Längizyti» nach diesem Ort und seinem Beruf haben. Etwas Sorgen macht sich Burri um die Bevölkerung. Es sei für die Leute vor allem im östlichen, sehr ländlichen Teil des Gerichtskreises sicher einfacher gewesen, «aufs Schloss zu gehen», als neu nun in ein fremdes Gebäude in der Stadt Bern.

Auch der Geschäftsleiter des Gerichtskreises, Hans Zwahlen, macht sich über die Zukunft der Region Sorgen. Durch die Zentralisierung würden sich die Randregionen entleeren; auch Schlosswil werde das Verschwinden der Justizverwaltung spüren. Zwahlen dankte Hans Rudolf Burri für seine Tätigkeit während 36 Jahren auf Schloss Wyl und gab weiter der Hoffnung Ausdruck, dass die «Schlösseler» auch in Bern auf gute Teams stossen. Wohl um allseits in guter Laune zum Apéro übergehen zu können, überreichte Zwahlen selbst den beiden Verhandlungsparteien – es ging um eine Autoreparatur im Betrag von rund 800 Franken – je eine Flasche Wein.

Noch kein neuer Besitzer

Das Schloss Wyl ist seit zwei Jahren zum Verkauf ausgeschrieben, doch ist bis heute kein befriedigendes Angebot eingegangen. Dabei geht der Kanton bei einer öffentlichen Nutzung von einem Preis von 2,3 Millionen Franken aus; für eine private Nutzung soll das Baudenkmal von nationaler Bedeutung rund 7,7 Millionen Franken kosten. Gebaut wurde das Schloss im 13. Jahrhundert, es brannte jedoch 1548 zum grössten Teil ab. Niklaus von Wattenwyl liess die Anlage um 1650 in einem herrschaftlichen Stil wieder aufbauen. 1812 gingen Schloss und Schlossgut in den Besitz des Staates Bern über, der hier den Sitz des Bezirks Konolfingen einrichtete.

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Erstellt: 17.12.2010
Geändert: 17.12.2010
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