Rütlifeier 2019: Lohn für über zwanzig Jahre Milizarbeit
Kurt Rothenbühler ist Gemeindepräsident von Arni und engagiert sich seit Jahren für seine Gemeinde. Am 1. August wurde ihm dafür gedankt. Noch lieber ist ihm ein Dankeschön von seinen Einwohnern.
Es ist noch früh, als Kurt Rothenbühler aus dem 100-jährigen Haus in Arni tritt, einen prüfenden Blick zurückwirft, ins silberne Auto steigt. Rothenbühler, Jahrgang 1966, kariertes Hemd, Lachfältchen um die Augen, kräftiger Händedruck, offenes Gesicht. Ein paar Stunden später werden unzählige Redner ihm und vielen anderen Gemeindepräsidenten für ihr Engagement danken. Auf dem Rütli, zur Feier des 728. Geburtstags der Schweiz.
Herzblut kommt mit der Zeit
Arnis Gemeindepräsident sitzt am Steuer und lenkt den Wagen zielstrebig in Richtung Innerschweiz. Gleichzeitig erzählt er von der jahrelangen Tätigkeit für die Gemeinde, die er seit über dreissig Jahren seine Heimat nennt. 1999 wurde er in den Gemeinderat gewählt. «Damals schrieb man die Vorschläge noch mit Kreide an die Tafel und führte eine Strichliliste.» Kurt Rothenbühler lacht. An der nächsten Gemeindeversammlung sei er dann ohne sein Wissen gewählt worden – «ich war an dieser Versammlung gar nicht dabei». Rothenbühler übernahm die Verantwortung für die Strassen, blieb im Rat und wurde schliesslich Gemeindepräsident.
Das ist nun auch schon zwölf Jahre her. Und bald ist auch dieses Kapitel zu Ende. Ende 2019 wird er das Amt des Präsidenten niederlegen. Gemeindepräsident in Arni mit rund 940 Einwohnern. Wie viel Zeit nimmt das in Anspruch? «20 Prozent sind vorgesehen, meistens arbeite ich aber doch etwas mehr», sagt Rothenbühler. Schlimm findet er das nicht. Die Zimmerei, die er hauptberuflich führt, steht neben seinem Haus. Das erleichtert vieles.
Unvermittelt redet er von den acht Rothirschen, die er auch noch züchtet. Zu Beginn habe er von der Zucht keine Ahnung gehabt. «Da wächst man aber hinein.» Genauso sei es ihm beim Amt des Gemeindepräsidenten ergangen. «Die Arbeit für die Gemeinde erfordert viel Herzblut, und das entwickelt man erst mit der Zeit.»
Einer von 100 000
Am Vierwaldstättersee warten Schiffe auf die 2200 Passagiere, die sich für die diesjährige Rütlifeier angemeldet haben, es sind so viele wie noch nie. Nur zehn Minuten dauert der letzte Teil der Reise, danach schlängelt sich der Tatzelwurm hinauf auf die historische Wiese. «Da sind wir also.» Ein bisschen imposanter hat sich Rothenbühler das Ganze vorgestellt, es ist das erste Mal, dass er den Ursprung der Eidgenossenschaft besucht. Tatsächlich – imposant kann man den Flecken nicht unbedingt nennen. Malerisch ist die Kulisse aber, keine Frage.
Die Redner, sie sprechen vom Jahr der Milizarbeit, von den 100 000 Menschen in der Schweiz, die sich wie Rothenbühler ehrenamtlich engagieren. Ihnen gebühre Respekt und Wertschätzung. Das Milizsystem sei wichtig und bringe in der heutigen Zeit, in der alles anonymer und individueller werde, mehr Zusammenhalt zwischen den Menschen.
Nicht jammern – machen
Machen diese Komplimente den Gemeindepräsidenten von Arni stolz? Rothenbühler zuckt mit den Schultern. Ein aufrichtiges Dankeschön und ein Handschlag von einem Einwohner aus seinem Dorf, «sie bedeuten mir einiges mehr».
Obwohl viele Leute das Tun und Lenken des Präsi schätzen, können sich immer weniger vorstellen, sich genauso zu engagieren. «Manche haben Angst vor der Verantwortung, davor, etwas zu entscheiden und dahinterzustehen.» In einem kleinen Ort sei das etwas anderes als im Beruf, wo jeder sein Fachgebiet habe. «In der Gemeinde kann dich jeder wegen irgendeines Themas zur Rede stellen, im Idealfall weisst du über alles irgendwie ein bisschen Bescheid.» Rothenbühler lacht. Jammern mag er überhaupt nicht, im Gegenteil. Früher sei alles besser gewesen, sagten viele. Statt die Situation, wie sie heute sei, anzupacken und zum Positiven zu verändern.
Auf die Leute zugehen, offen sein und sich Zeit nehmen für sie, das ist ihm wichtig. Dann finde man gemeinsam eine Lösung. Er sagt: «Können ist gut, wollen ist besser, machen ist entscheidend.» Dann dreht er sich ab und setzt das Gesagte gleich um. Kurzerhand ermuntert er jene, die in einer langen Schlange auf ihr Essen warten, in einer zweiten Reihe anzustehen. Dort warten nur wenige.