Rüfenacht - Serbelndes Dorf ist gespalten

Der Schandfleck am Dorfeingang ist symptomatisch: Mit Rüfenacht gings in den letzten Jahren abwärts. Nun streiten sich die Einwohner darum, welches der richtige Weg in eine bessere Zukunft ist.

Adrian Schmid, Der Bund

Rüfenacht ist keine Topadresse in der Agglomeration Bern. Am Eingang klafft eine Narbe, welche der Brand des Restaurants Sonne 2012 hinterlassen hat. Eine Visitenkarte sieht anders aus. Viele Läden sind in den letzten Jahren verschwunden. Die Wohnquartiere sind tagsüber ausgestorben, die alten Blöcke im Unterdorf fristen ein tristes Dasein. Im Sommer wird das 3500-Seelen-Dorf auch noch die Oberstufe verlieren. Künftig besuchen die ältesten Schülerinnen und Schüler den Unterricht unten in Worb. «Ein Vorort blutet aus» titelte der «Bund» schon vor 14 Monaten.

Am 8. März befinden die Stimm­berechtigten der Gemeinde Worb, zu der Rüfenacht gehört, über eine Volks­initiative, die darauf abzielt, den Niedergang aufzuhalten. Die Gemeinde solle mithelfen, das Rüfenachter Kirchgemeindehaus Sperlisacher zu retten. Konkret geht es um einen Zustupf von bis zu 100 000 Franken an die jährlichen Betriebskosten. 1100 Personen haben das Begehren unterschrieben. Die reformierte Kirchgemeinde überlegt sich derzeit, den in die Jahre gekommenen Gebäudekomplex abzureissen. Ihr fehlt das Geld für eine Sanierung, die rund zwei Millionen Franken kosten würde. 

«Kahlschlag» oder «Sackgasse»?

Für Hans U. Steiner, Sprecher des Initiativkomitees, ist der Sperlisacher ein «Gemeindezentrum, das lebenswichtig für Rüfenacht ist». Nicht nur die Kirche ist dort zu Hause. Im grossen Saal mit bis zu 300 Plätzen finden Theater, Konzerte und Versammlungen statt. In anderen Räumen werden Yoga-Kurse durchgeführt, Kochklubs treffen sich. «Wenn das Kirchgemeindehaus abgebrochen würde, ginge das Dorfgefühl noch mehr verloren. Es wäre ein Kahlschlag», sagt Steiner. Die Gemeinde müsse ihren Versprechungen nachkommen und sich endlich um Rüfenacht kümmern.

Bei Viktor Fröhlich tönt es ähnlich. «Wir müssen etwas für die Zukunft von Rüfenacht machen», sagt der SP-Gemeindeparlamentarier. «Sukzessive verkommt Rüfenacht zu einer Schlafstadt.» Die Sperlisacher-Initiative führt seiner Meinung nach jedoch in eine «Sackgasse». Sie rette das Kirchgemeindehaus nicht und schwäche zudem die Planung des neuen Dorfzentrums. Fröhlich ist Mitglied des Komitees «Zukunft Rüfenacht», das die Initiative ablehnt.

Alles hängt vom Sonnen-Areal ab

Das neue Dorfzentrum soll auf dem Areal realisiert werden, wo einst das Restaurant Sonne stand. Die geplante Über­bauung ist das Rüfenachter Leuchtturmprojekt auf dem Weg in eine bessere Zukunft. Dort, wo heute Occasionsautos und wild wuchernde Sträucher Hinterhofstimmung verbreiten, soll in ein paar Jahren das Leben pulsieren.

Mehrere Gebäude sind geplant – das höchste achtstöckig. Vorgesehen sind Wohnungen, Läden und ein Restaurant. Das Herzstück soll ein neuer Dorfplatz bilden. Doch die Umsetzung geht nur schleppend voran. Das Projekt muss jetzt ein zweites Mal durch die Vorprüfung, da die kantonale Kommission zur Pflege der Orts- und Landschaftsbilder (OLK) mit der Qualität der geplanten Bauten nicht zufrieden ist. Wann die Baumaschinen auffahren werden, steht in den Sternen.

Die Kirchgemeinde möchte ebenfalls aufs Sonnen-Areal ziehen. Zumindest steht dieses Szenario derzeit im Vordergrund. Im Gegenzug könnten auf dem Sperlisacher, an bester Lage mit Blick auf die Berner Alpen, für gutes Geld neue Wohnungen gebaut werden. In der Sonnen-Überbauung stünde der Öffentlichkeit aber nur noch ein Versammlungs­lokal mit rund 100 Plätzen zur Verfügung – ohne Bühne und Garderoben. Für das Initiativkomitee ist das zu wenig. «Uns ist es wichtig, dass die Vereine weiterhin Theater spielen können», sagt Steiner.

Skeptische Kirche

Ein Gemeindebeitrag in der Höhe von 100 000 Franken gäbe der Kirchgemeinde durchaus «Luft», sagt Kirchgemeinderatspräsident Toni Stalder. Auf längere Zeit hinaus würden die Probleme aber nicht gelöst. Der Sperlis­acher schriebe weiterhin Defizite. Und diese dürften noch grösser werden, da in absehbarer Zeit die Tagesschule auszieht. «Auch wenn es wehtut, können wir aus momentaner Sicht den Sperlis­acher nicht weiterführen», sagt Stalder.

Derweil befürchtet das Komitee Zukunft Rüfenacht, dass das Dorf am Ende mit leeren Händen dastehen könnte – egal wie die Abstimmung ausgeht. Daher sammelt es jetzt Unterschriften für ein Volkspostulat. Darin wird gefordert, dass der Worber Gemeinderat «alle ­Hebel in Bewegung setzt, damit der Traum von einem Rüfenachter Dorfzentrum endlich wahr werden kann». Für Hans Steiner ist das Volkspostulat zu wenig bindend – im Gegensatz zur Initiative. Er spricht von einem «Ablenkungsmanöver».

Podium ohne Gegner

Auch die Worber Parteien sind bezüglich der Sperlisacher-Gemeindeinitiative gespalten. SVP und EVP haben die Ja-Parole herausgegeben. FDP, SP und GLP sind dagegen. Morgen Dienstag um 19.30 Uhr findet im Kirchgemeindehaus ein öffentlicher Informationsanlass statt, organisiert von der Worber SVP, dem Initiativkomitee und dem Kirchgemeinderat. Nebst den Initianten werden dort die Präsidenten von Gemeinde- und Kirchgemeinderat auftreten. Das Komitee Zukunft Rüfenacht wurde nicht eingeladen, einen Vertreter aufs Podium zu entsenden. 


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Erstellt: 23.02.2015
Geändert: 23.02.2015
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