Rüfenacht - Damit niemand ans Limit kommt
Margrit Schmid arbeitet als Klassenhilfe im Kindergarten in Rüfenacht. Es sei ein «Schuhebinden- und Jackenanziehen-Job», sagt die Bernerin über die Erfahrungen, die sie im letzten Jahr gemacht hat.
Die jüngsten Kinder sind vierjährig, wenn sie in den Kindergarten kommen – so auch in Rüfenacht in der Gemeinde Worb. Im Kindergarten im Pavillon werden die Kinder heute, am ersten Schultag, von der Klassenlehrkraft und von Margrit Schmid begrüsst. Sie ist seit letztem Schuljahr als Klassenhilfe in Rüfenacht engagiert. Gerade im ersten Quartal gibt es für die Klassenhilfen viel zu tun. Für ihre Anstellung hat der Kanton Bern nach den positiven Erfahrungen im letzten Schuljahr das Budget verdoppelt (siehe Text unten).
Oft sind es elementare Dinge, bei denen die Kinder Unterstützung benötigen: «Es ist ein Schuhebinden- und Jackenanziehen-Job», sagt Margrit Schmid. «Ich kann mir schon vorstellen, dass Kindergärtnerinnen zum Teil überfordert sind, gerade mit grossen Klassen. Da kommt man schnell an den Anschlag.» Auch die Motivierung der Kinder nehme viel Zeit in Anspruch.
Sie redet niemandem drein
Das Bedürfnis nach Unterstützung sei in den Kindergärten gross, sagt die Bernerin. «Es ist deshalb gut, wenn der Kanton das Angebot für die Klassenhilfe ausweitet.» Viele Kinder könnten noch nicht selbstständig auf die Toilette gehen. Beim Start vor einem Jahr sei das Angebot wohl noch zu wenig bekannt gewesen. Margrit Schmid, die in Worb aufgewachsen ist, hat sich bei der Pro Senectute für den Einsatz gemeldet. Sie ist pensionierte Kindergärtnerin mit 37 Jahren Berufserfahrung. Eine pädagogische Ausbildung ist für den Einsatz als Klassenhilfe aber nicht Bedingung. Trotz der eher bescheidenen Bezahlung von 30 Franken pro Stunde fühlt sich Schmid nicht als Notnagel. Trotz ihrer langen Erfahrung hält sie sich im pädagogischen Bereich ganz zurück. «Ich rede der Kindergärtnerin nicht drein.»
Immer am Freitagmorgen unternahm Margrit Schmid mit den rund 20 Kindern einen Ausflug in den Wald am Dentenberg. Bei Sonne, Regen oder Schnee. Für eine Kindergärtnerin ohne Klassenhilfe wären solche Ausflüge schwierig, die Aufsicht könnte leiden, beim Fussmarsch in Zweierreihen in den Wald wie auch beim Spielen im Wald. Am Anfang herrschte bei einigen Kindern noch Skepsis. «Mit der Zeit begann es ihnen zu gefallen.» Um die Verbundenheit mit der Natur zu fördern, konnte jedes Kind einen Baum aussuchen, der dann mit seinem Namen angeschrieben wurde. Draussen in der Natur zu spielen, sei wichtig, um die Entwicklung des Kindes zu fördern, sagt Margrit Schmid. «Das soziale Verhalten lässt sich draussen besser einüben als drinnen», ist sie überzeugt. Da die Kinder beim Eintritt in den Kindergarten jünger seien als früher, müsse in diesem Bereich viel mehr geleistet werden. Es sei aber wichtig, dass Kinder früh sozialisiert werden. «Kinder lernen am meisten von andern Kindern. Der frühe Kindergarten ist darum ein Vorteil.»
Früher war sie die Hirtin
Manchmal geht es auch darum, die Befürchtungen der Eltern aufzufangen. Ein Kind ging zum Beispiel nicht gerne in den Wald. Wie sich herausstellte, hatte die Mutter Angst. «Als ich der Mutter sagte, dass ich mich besonders um das Kind kümmern würde, legten sich die Befürchtungen.» Ein Problem sind die Zecken. Wichtig sei, dass die Kinder lange Hosen und T-Shirts trügen sowie jeweils am Mittag nach dem Besuch des Kindergartens zu Hause duschten. Im letzten Schuljahr sei denn auch kein Kind gebissen worden, sagt Schmid.
In den letzten Jahren haben sich die schulischen Anforderungen für angehende Kindergärtnerinnen und Kindergärtner stark verändert. Verlangt werden jetzt die Maturität und eine Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule. «Es ist sicher gut, dass das Berufsbild aufgewertet wurde», sagt Margrit Schmid. Andererseits brauche es auch die Liebe zu den Kindern und viel Fingerspitzengefühl. «Das lernt man nicht einfach mit der Matur.» Im Vergleich zu früher sei der Unterricht heute individueller geworden. «Man muss mehr auf die Wünsche der Kinder und der Eltern eingehen.» Früher war sie einfach die «Hirtin», die jeweils im August ihre neue «Herde» Kinder erhielt. Der Bachelorstudiengang an der Pädagogischen Hochschule ermöglicht den Absolventen, als Lehrperson für Kinder zwischen vier und acht Jahren zu arbeiten, also auch für den Unterricht in der 1. und 2. Klasse oder der Basisstufe.
Nach Jahrzehnten Berufserfahrung ist Margrit Schmid vor dem ersten Schultag nicht mehr nervös. «Nach so vielen Jahren muss ich mich nicht mehr speziell vorbereiten», sagt sie. «Aber ich freue mich auf die Kinder und die neue Klasse.»