Rücktritt: "Bei mir hat das Schicksal die Karten neu gemischt"
Beatrice Eichenberger tritt aus gesundheitlichen Gründen aus dem Grossen Rat des Kantons Bern zurück. Zum Ende der Legislatur legt sie ihr Mandat im Frühling nieder. Im Interview sagt sie, warum es nicht mehr geht, und was sie im Grossrat erreicht hat.
BERN-OST: Beatrice Eichenberger, nach einer Legislatur im Grossen Rat treten Sie zurück, warum?
Beatrice Eichenberger: Ich hatte vor einem Jahr eine Krebserkrankung. Bei mir hat das Schicksal die Karten neu gemischt. Ich habe mich gut erholt, aber mir fehlen seither Energie und Kraft. Das war ein Prozess, bei dem ich herausfinden musste, was kann ich noch und was nicht mehr. Wir haben uns das nicht einfach gemacht. Meine Ärztin sagte, ich solle sofort aufhören, jetzt habe ich mich entschieden auf Ende Mai 2022 aus dem Grossrat zurückzutreten.
Auf dem eigenen Hof können Sie noch anpacken?
Auch das geht nicht so weiter wie bisher. Wir mussten uns neu organisieren. Wir haben auch Aushilfen auf dem Hof. Damals, als ich gewählt wurde, ging das, nun ist die Situation halt anders. Oder anders gesagt: Wenn eine Kuh am Morgen schlecht "zwäg" ist, ich an eine Grossratssitzung muss, dann ist es mir nicht wohl. Natürlich haben mein Mann und unsere Söhne mich stets nach ihren Kräften und Möglichkeiten entlastet. Auch meine Mutter half einen Tag pro Woche aus, aber auch sie wird älter. Ich habe die Verantwortung für den bäuerlichen Betrieb, das ist prioritär. Da hat es künftig keinen Platz mehr mich noch anders zu engagieren.
Wie viele Stunden pro Woche beträgt der Aufwand für das Grossratsmandat?
Das entspricht etwa einem 30-Prozent-Pensum, es ist eine intensive Arbeit. Es gibt weitere Verpflichtungen und Einladungen im Zusammenhang mit dem Mandat. Jede Medaille hat eine oft unsichtbare Kehrseite. Die Arbeit soll aber auch Freude machen und nicht zu einer Belastung werden.
Wenn Sie zurückschauen, was bleibt?
Sehr viel. Mein politisches Engagement betraf nicht nur die Zeit im Grossen Rat. Ich bin mit 25 in die Lokalpolitik eingestiegen, arbeitete erst in Kommissionen, dann 12 Jahre im Gemeinderat von Biglen, jetzt noch vier Jahre im Grossrat.
Ich bin froh, dass ich als einfache Bauernfrau Teil des Systems sein durfte. Wenn ich etwas mache, nehme ich das ernst, ob auf dem Hof oder bei einem Geschäft im Grossrat. Das ist eine Grundeinstellung von mir.
Was haben Sie im Grossrat erreicht?
Ich bin stolz, konnte ich einen Hauswirtschaftskurs initiieren, der coronamässig erst nächsten Sommer startet. Das ist ein Kurs für Leute, die erstmals einen Haushalt führen. Es ist eine Ergänzung des Hauswirtschaft-Unterrichts in der Schule. Das geht auf einen Vorstoss zurück, den ich formuliert hatte.
Ich bin im Ausschuss Geschäftsleitung der Geschäftsprüfungskommission (GPK), da sind wir einer zusätzlichen Vertraulichkeit verpflichtet. Dadurch gewann ich interessante Einblicke. Es war sehr intensiv und ich lernte viele spannende Leute kennen.
Es gibt auch viele Geschäfte, die ich mit meiner Fraktion durchgebracht habe. Wir haben stets versucht, Mehrheiten zu finden für nachhaltige Projekte (wie Holzheizungen, Solarzellen, etc.).
[i] Beatrice Eichenberger (50) führt mit ihrem Mann zusammen den Hof Lochmatt in Biglen. Sie war Mitglied der SVP, wechselte dann zur BDP, heute politisiert sie für Die Mitte. Vor vier Jahren wurde Eichenberger auf Anhieb in den Grossen Rat gewählt. Sie ist zudem Vize-Präsidentin der Mitte-Fraktion im Grossen Rat.