Rudern: Soloauftritt für den Teamplayer

Raphael Eichenberger nimmt an der Coupe de la Jeunesse, einem internationalen Wettkampf für junge Ruderer, teil. Der Brenzikofer trainiert achtmal in der Woche, und nebenbei entwickelt er den Sport weiter.

Simon Scheidegger, Berner Zeitung BZ

Der Himmel ist wolkenverhangen, und ein leichter Regen zeichnet Kreise in den Wohlensee. Ein hartnäckiger Wind weht durch die Bäume. Diese unangenehmen Wetterbedingungen würden eher dazu verleiten, in der warmen Stube zu bleiben und ein Buch zu lesen. Doch nicht Raphael Eichenberger: Der 17-Jährige hat ein Ziel, und so sitzt er auch bei widrigen Bedingungen im Boot: An der Coupe de la Jeunesse, einem internationalen Ruderwettkampf für Athleten unter 18, der vom 1. bis 3. August in Libourne (Fr) stattfindet, möchte er unter die besten sechs Boote fahren. «Im Moment ist das noch ein Fantasieziel», sagt er zwar, aber zusammen mit seinem Trainer Peter Fritsch trainiert er intensiv, damit er dieses Ziel erreichen und einige Boote hinter sich lassen kann. Acht Trainingseinheiten pro Woche absolviert der Brenzikofer, nicht nur auf dem Wasser, sondern auch im Kraftraum oder auf dem Ergometer. «Im Hinblick auf das Rennen mussten wir viele Male trotz schönem Wetter drinnen trainieren», erzählt Fritsch.

      

Harte Kriterien

        

Denn um für eine Teilnahme an der Coupe infrage zu kommen, müssen die Athleten auf dem Ergometer eine Strecke von 2000 Meter in unter 6:35 Minuten zurücklegen. «Raphael hat extrem viel trainiert, um sich an die Limite heranzuarbeiten», erinnert sich der Trainer und fügt bildhaft an: «Wir mussten manchmal Dreck fressen.» Anschliessend führte der Verband Selektionsrennen durch, bei denen die beste Zusammensetzung für die Viererboote ermittelt wurde. Eichenberger verpasste zwar als Fünftschnellster die Qualifikation für den Vierer, wurde aber für den Einer berücksichtigt. Die Freude darüber überwiegt, obwohl er lieber im Zweier oder im Vierer fährt. «Im Team macht es mehr Spass», sagt er. Und auch Fritsch hätte seinen Schützling lieber in einem Mannschaftsboot gesehen: «Mit seiner Einstellung wäre Raphael prädestiniert für den Vierer, und er könnte sein Potenzial sicher noch besser abrufen.» Trotzdem bietet die Teilnahme an der Regatta in Libourne die Möglichkeit, weitere internationale Erfahrungen zu sammeln.

 

Der junge Gymnasiast ist ehrgeizig und hofft in Zukunft auf eine Teilnahme an Weltmeisterschaften und auch Olympischen Spielen. Er nimmt nun zum zweiten Mal an einem Wettkampf ausserhalb der Schweiz teil, allerdings zum ersten Mal in einem derart starken Teilnehmerfeld. Ruderer aus insgesamt zwölf Nationen messen sich an der Coupe de la Jeunesse.

     

Lange Tage

     

Obwohl die Schweiz im internationalen Vergleich nicht zu den Topnationen gezählt werden kann, ist die Leistung Eichenbergers beachtlich. Neben dem Rudern besucht er das Freie Gymnasium in Bern. «Manchmal ist es schon stressig,» gibt er zu, «aber ich werde gut unterstützt.» Doch nicht nur die schulische Belastung ist zum Teil beträchtlich, sondern auch die Zeit, die er auf dem Weg ins Training aufwenden muss. Da die Zugverbindungen von seinem Wohnort Brenzikofen bis nach Bern nicht ideal sind, braucht er für einen Weg eine knappe Stunde, und so ist er oft erst spätabends wieder zu Hause.

 

Ausbildung und Rudern laufen allerdings nicht immer strikt parallel. Eichenberger konnte seine Leidenschaft mit der Pflicht verbinden. Im Rahmen seiner Maturaarbeit baute er einen Katamaran, der Ruderanfängern den Einstieg in den Sport erleichtern soll. Das Boot sei extrem stabil, und daher könne man sich aufs Rudern konzentrieren, anstatt mit dem Gleichgewicht zu kämpfen. «Am Anfang ist es wichtig, dass man sich auf dem Wasser wohl fühlt», erklärt er. «Wenn man andauernd umkippt und im Wasser landet, entwickelt man kein gutes Gefühl, hat Angst, das Gleichgewicht zu verlieren, und kann sich gar nicht aufs Rudern konzentrieren.» Der Katamaran wird im Ruderclub Bern bereits rege benutzt, und die Rückmeldungen seien durchwegs positiv. Eichenberger hofft, dass so mehr Nachwuchs den Weg zum Rudern findet und die Berner Delegation bei internationalen Wettkämpfen dereinst grösser sein wird.


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Erstellt: 29.07.2014
Geändert: 29.07.2014
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