Rudern - Alte Freunde und neue Türen
Der Brenzikofer Raphael Eichenberger und Christian Stüssi vom Rowing Club Bern stehen vor internationalen Regatten in Bulgarien und Ungarn.
Eigentlich war alles anders geplant. An der heute beginnenden U-23-WM der Ruderer im bulgarischen Plovdiv wollte Raphael Eichenberger vom Rowing Club Bern ursprünglich im Doppelvierer an den Start gehen. Doch das Projektboot verpasste die Vorgaben des Verbandes knapp und musste den Traum von der WM begraben.
Wenig später offerierte der SRV allerdings dem Schnellsten der vier einen Startplatz im Skiff, und so kommt der bald 19-jährige Brenzikofer doch zu seinen ersten Erfahrungen an globalen Wettkämpfen. «Ich hätte mir nicht erträumt, dass ich schon an einer WM teilnehmen kann», sagt Eichenberger.
Zwar war es stets sein Ziel, sich mit den Besten der Welt zu messen, dass er dies jedoch so schnell erreichen würde, ist beachtlich. Erstmals international ins Wasser stieg er vor gut einem Jahr, als er im französischen Libourne an der Coupe de la Jeunesse, einem internationalen Wettkampf für bis 18-Jährige, teilnahm.
Der tägliche Kampf
Seither hat sich das Leben des Maturanden verändert: Er startet nicht mehr in den Schwer-, sondern in den Leichtgewichtskategorien. Um diesen Wechsel vollziehen zu können, musste Eichenberger dreizehn Kilo abnehmen, was «nicht ganz einfach» gewesen sei.
Allerdings sei er von seiner körperlichen Konstellation her prädestiniert fürs Leichtgewicht. «Fürs Schwergewicht bin ich zu klein», sagt der 183 cm grosse Athlet. Im Vergleich zum letzten Jahr habe er vor allem im Ausdauerbereich Fortschritte erzielt und an Durchhaltewillen gewonnen. «An der Coupe merkte ich, wie wichtig der tägliche Kampf mit sich selber ist, um ein Training durchzuziehen», sagt er.
Und so öffneten sich für Eichenberger neue Türen, die ihn nun bis an den Fluss Mariza führen. «Es kam alles viel besser, als ich es mir erhofft hatte», kommentiert der Nachwuchsathlet seine rasante Entwicklung. In der zweitgrössten Stadt Bulgariens wird er auf knapp 900 Athleten aus 51 Nationen treffen. Erwartungen hat er indes keine.
Der Jüngste in der zwölfköpfigen Schweizer Delegation hat mit der Teilnahme an den Wettkämpfen in Plovdiv sein Saisonziel erreicht. Primär will er Erfahrungen sammeln – auch, weil er im Einzel und nicht im bevorzugten Teamboot antreten kann. «In einem Teamboot kann man den Druck und die Anspannung bei einem Rennen auf die anderen abwälzen. Im Skiff lastet der ganze Druck auf einem selber», erklärt Eichenberger.
Genugtuung nach Selektion
Auch Christian Stüssi ist ein Teamplayer. Der 18-Jährige reist Ende Monat ins ungarische Szeged, wo die Coupe in diesem Jahr stattfindet. Er erkämpfte sich einen Platz im Achter, nachdem er die Ausscheidung um einen Start im Vierer knapp nicht überstanden hatte.
Für Stüssi war die Selektion eine Genugtuung, denn bereits im vergangenen Jahr hatte er den notwendigen Ergometertest absolviert, die Limite erwies sich jedoch als zu hoch. Wie Eichenberger rudert der Berner seit sechs Jahren, und wie sein Kollege schloss er vor wenigen Wochen die Matura ab.
Die beiden Nachwuchsruderer kennen sich schon lange. Seit der fünften Klasse drückten sie im Freien Gymnasium Bern gemeinsam die Schulbank. Seit Februar dieses Jahres trainiert Stüssi indes vermehrt beim Seeclub Biel, weil er dort, anders als in Bern, nicht der einzige Junior ist, sondern mit neun anderen trainieren kann.
Erst im nächsten Jahr, wenn sie wieder derselben Alterskategorie angehören, werden die beiden Freunde wieder öfter zusammen ins Boot steigen. Zwölf Nationen messen sich in der sonnenreichsten Stadt Ungarns, und Stüssi hofft auf den Einzug in den A-Final. Wie rasant es danach an nächste internationale Regatten gehen kann, hat ihm nicht zuletzt sein Teamkollege gezeigt.