Rubigen - Patrizier ehren "Mühli-Pesche"

Am Freitag konnte «Mühli-Pesche» den mit 100 000 Franken dotierten Kulturpreis der Burgergemeinde entgegennehmen. Überschattet wurde die Freude des Geehrten vom kulturpolitischen Hickhack, das der Preisverleihung gefolgt war.

Franziska Ramser, "Der Bund"
Lara Croft und Darth Vader gehören hier wortwörtlich zum Inventar: Wie immer schauen sie über das Geländer der Galerie aufs Treiben im Parterre hinunter. Fremder als die virtuelle Dame und der «Star Trek»-Mann sind im Universum der fliegenden Säue und Engel, des Riesen-Mickeys und der Mega-Jukebox an diesem Abend die zahlreichen weisshäuptigen und Krawatte tragenden Herren. Es habe auch zwanzig Jahre gedauert, bis die Bernburger den Weg in die Mühle Hunziken gefunden hätten, wird der Gastgeber später sagen. 1988 hatte die Burgergemeinde ihren grossen Kulturpreis zum ersten Mal verliehen, die Auszeichnung ging an das Kammerorchester Camerata Bern. Dessen Wunsch, die Auszeichnung in der Kulturmühle bei Rubigen entgegenzunehmen, stiess bei den Burgern damals auf taube Ohren: Die «Mühli» sei kein angemessener Rahmen für die Übergabe des Burgerpreises.

Seither hat sich einiges geändert: 2009 ist Peter Burkhart alias «Mühli-Pesche» nicht nur Gastgeber, sondern selber Preisträger. Ausgezeichnet wird er für für sein Gesamtwerk der letzten 30 Jahre. 1973 hatte der Bauingenieur aus Spiez das Haus zwischen Autobahnausfahrt und Naturschutzgebiet gekauft, mit Familie und Freundeskreis bezogen und vorerst als Mühle weiterbetrieben. Er mästete Schweine, bis im Zuge der Weltwirtschaftskrise die Preise für Soja derart massiv stiegen, dass Burkhart sich gezwungen sah, in eine andere Branche auszuweichen. So wurde aus dem Aussteiger ein Kulturveranstalter und der umtriebige Müller sollte in den folgenden Jahren die weite Welt ins kleine Rubigen holen: Unter seinem Dach spielten Grössen wie Randy Newman und Myriam Makeba – einen schriftlichen Vertrag musste Burkart mit keinem von ihnen abschliessen, seine Zusammenarbeit mit den Musikern basiert bis heute auf freundschaftlicher Verbundenheit. So schenkte ihm der Gitarrist David Lindley eines Tages seinen berühmten blauen Südstaaten-Gehrock zum Abschied. Den Polyestermantel habe er zur Hochzeit getragen und er solle auch sein letztes Gewand sein, erklärt Burkhart am Freitag, bevor er ins Festkleid schlüpft, um von Burgerpräsident Franz von Graffenried die Auszeichnung entgegenzunehmen.

Es handle sich um einen «Preis ohne politische Färbung», eine «Subvention ohne jede Auflage», betont dieser in seiner Ansprache. Die Burgergemeinde sei kein Kulturamt, sondern verstehe sich als freie Mäzenin. Der Hinweis erfolgt nicht von ungefähr: Bis 2007 hatte die «Mühli» keinerlei staatliche Unterstützung erhalten und sich das Label «subventionsfrei» auch stets gross auf die Fahne geschrieben. Zudem hatte Burkhart nie zurückgehalten mit Kritik an der Subventionspolitik von Stadt und Kanton Bern und sich damit in Veranstalterkreisen nicht nur Freunde gemacht. Als Burkhart Ende 2008 die mit 100 000 Franken dotierte Auszeichnung der Burger erhielt und beschloss, die ihm zugesprochenen 35 000 Franken aus der Staatskasse kurzerhand an das finanziell gebeutelte Kornhausforum weiterzugeben, war der Wirbel gross. Burkhart lieferte sich mit Christoph Reichenau, dem Präsidenten des Kornhausforums, und La-Capella-Leiter Christoph Hoigné einen veritablen Schlagabtausch in den Leserbriefspalten dieser Zeitung. Er habe in den letzten Wochen ein Wechselbad der Gefühle erlebt, sagt Mühli-Pesche, als er am Freitag den grossen Check in Empfang nimmt. Und er habe festgestellt: «Als Preisträger trägt man auch schwer.» Statt Kollegenschelte erteilt Burkhart an diesem Abend aber viel Lob Richtung Burgergemeinde: Es sei super, dass es die Burger gebe, die das Erbe Berns pflegten. Und dann bittet der Gastgeber, der eine oder andere Burger möge sich doch als solcher outen – sonst werde einer seiner Freunde den ganzen Abend als vermeintlicher Patrizier angesprochen. Aber der habe nur einfach einen weissen Schnauz.

In diesem leichten Ton fällt auch die Laudatio von Künstlerfreund Timmermahn aus. Aus einem enormen Fundus angeblicher gemeinsamer Erinnerungen lässt der Liebhaber der holprigen Syntax und der verstolperten Silbenbetonung Burkharts Leben Revue passieren: Die gemeinsamen Tage im Kinderhort Walzenberg ob Spiez unter dem strengen Regime von Fräulein Stolzenberg mit den schönen Beinen, die gemeinsamen Wanderungen im Gantrischgebiet mit Disputen am Lagerfeuer oder das Schäferstündchen mit der «Ochsen»-Wirtin in der jurassischen Landschaft, das dem Freundes-Duo den ersten gemeinsamen Vaterschaftstest eintrug. Und überhaupt teile man die Erfahrung eines Lebens «in der damaligen biederen Schweiz». Seither habe Burkhart sein Ding ohne sichtbare Schädigung durchgezogen, und eine Lektion habe er vom Freund gelernt, sagt Timmermahn: «Ä grossi Schnurre isch nid ds Tümmschte: I guete Jahr geit viu drii, i schlächte nüt drnäbe.» So grossspurig, wie Timmermahn ihn gezeichnet hat, verabschiedet sich der Geehrte, nachdem er Kusshände ins Publikum geworfen hat, denn auch von der Bühne: «Ich heisse Pesche – aber ihr könnt mich auch Preisträger nennen.»

Ein Artikel aus

www.muehle-hunziken.ch
www.rubigen.ch

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Erstellt: 23.02.2009
Geändert: 23.02.2009
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