Rubigen - Mühle Hunziken: "Würdeloses Hickhack"

Ein Kommentar von BZ-Kulturredaktorin Maria Künzli zum Streit in der Mühle Hunziken.

Maria Künzli / Berner Zeitung BZ

Es war einmal ein kleines, buntes Konzertlokal direkt an der Autobahn in Rubigen. Dort waltete ein schrulliger Hausherr, der zwar oft und gerne stritt, der aber auch wie ein Schäfchenhirt immer mal wieder in die Herde fragte: «Isch öpper mit em Zug da?» – um Mitfahrgelegenheiten nach Mitternacht zu organisieren. Die Einrichtung in diesem Lokal war ebenso verschroben und entrückt wie der Hausherr Peter Burkhart selbst. Und mindestens so legendär. Von weit her kamen die Besucher und Musiker – sofern sie denn kein Hausverbot hatten –, um für einen Abend Gast zu sein in diesem wunderlichen Märchenhaus namens Mühle Hunziken.


Mittlerweile ist aus dem Märchenhaus ein Tollhaus geworden. Der Streit um das Konzertlokal – das Erbe von Pesche Burkhart – ist eskaliert. Was bisher unter den Streithähnen ausgefochten wurde, findet nun öffentlich statt.

Was ist passiert? Über dreissig Jahre lang wurde die Mühle Hunziken als Familienbetrieb geführt. Mit schonungslosem Engagement baute Peter Burkhart einen einzigartigen Konzertort auf und holte dank seines Beziehungsnetzes immer wieder Stars nach Rubigen. Im Juni 2011 präsentierte der 69-jährige Burkhart den Medien seine Nachfolgelösung: Der Thuner Bluesmusiker Philipp Fankhauser und sein Bruder Christoph sollten neu dazustossen, Thomas Burkhart seinen Vater als Geschäftsführer ablösen. Am Pressetermin lachte man gemeinsam, umarmte sich für die Fotografen. Die Lösung schien vernünftig: Thomas Burkhart bringt seine Erfahrungen im Familienbetrieb mit, Philipp Fankhauser seine Kontakte in der internationalen Musikszene – und «Mühli-Pesche» wandert nach Frankreich aus.

Doch man brauchte nicht mit den Burkharts Weihnachten zu feiern, um zu wissen, dass dieser Generationenwechsel nicht ohne Probleme über die Bühne gehen würde. Dass der eigensinnige Patriarch Pesche sein Lebenswerk nicht so leicht wird loslassen können. Und dass schon lange ein diffuser und vielschichtiger Familienzwist brodelt. Eine Weile kursierten Gerüchte von Übergabeschwierigkeiten, im Dezember 2011 wandte sich «Mühli-Pesche» an die Medien, sprach von Vertrags- und Vertrauensbruch seitens Philipp Fankhausers. Die Gegenseite – Fankhauser und Thomas Burkhart – versuchte vorerst per anwaltlich abgesegnete Verlautbarung, die Contenance zu bewahren. Doch Peter Burkhart schoss scharf, forderte den sofortigen Rücktritt von Philipp Fankhauser und drohte mit der Schliessung der Mühle und notfalls einem Gerichtsverfahren. Dann platzte auch Thomas Burkhart der Kragen. Im Interview sprach er von einer «Schlammschlacht», von «Schikanen» und erhob dramatische Vorwürfe gegen Burkhart als Vater. In seiner Stimme lag gleich viel Wut wie Traurigkeit.

Mittlerweile schlägt jeder wild um sich und versucht, den anderen noch ein bisschen mehr zu verletzen. Vielleicht um seine eigenen Wunden nicht spüren zu müssen. Das ist zwar nachvollziehbar, aber würdelos. Und wird am Kultlokal selbst Spuren hinterlassen, die sich nicht mehr so leicht wegwischen lassen. Schon jetzt zeigt sich das Mühle-Stammpublikum konsterniert. «Schade um dieses schätzenswerte Kulturgut», «Es tut mir im Herzen weh», «Ein Berner Gring ist nicht von Plastik – aber eure sind wohl aus knallhartem Mühlistei!», lauteten die Kommentare letztens auf dem Onlineportal dieser Zeitung.

Wer im Recht ist, soll das Gericht beurteilen. Es spielt auch keine Rolle mehr. Denn das, worum man sich streitet, ist ohnehin bereits Vergangenheit: Die alte Mühle gibt es nicht mehr. Die Identität des Lokals, der Charme des Musealen, ist verpufft, als Details des Streits öffentlich wurden. Als sich das Märchen in ein Trauerspiel verwandelt hat.

«Mühli-Pesche» scheint sich nie ausgemalt zu haben, wie eine Mühle ohne ihn aussehen könnte. Er hat sich mit der Mühle Hunziken sein eigenes Museum geschaffen und schaufelt nun offenbar lieber dessen Grab, als den Gedanken zuzulassen, die Mühle könnte auch ohne ihn – und mit Philipp Fankhauser – funktionieren. Wenn sie aber überleben soll, muss das neue Leitungsteam um Thomas Burkhart einen Weg finden, das Konzertlokal ins 21. Jahrhundert zu hieven. Mit frischen Ideen, jüngerem Publikum und einer neuen Identität. Diese Erfrischungskur ist zwingend nötig und das eigentliche Problem, das im Übergabestreit komplett untergegangen ist.

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Erstellt: 28.04.2012
Geändert: 28.04.2012
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