Rubigen - Kritik an Kästlis Kiesabbau

Die Gemeinde Rubigen klärt ab, ob die Baufirma Kästli seit Jahren unrechtmässig Kies abbaut. Im Zentrum steht ein jahrzehntealtes Reglement der Gemeinde. Gilt es noch heute?

Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ

Um die grosse Kiesgrube in Rubigen führt ein kleiner Weg. Ein Teil dieses Wegs ist seit einiger Zeit mit einem Zaun abgesperrt. Ein Schild warnt die Fussgänger: «Betreten der Kiesgrube verboten – Absturzgefahr.» Die Kante hinter dem Zaun bricht allmählich weg, der Privatweg wird immer schmaler.


Solche Hangrutsche kämen immer wieder vor, wenn es nass und kalt sei, sagt Daniel Kästli, Delegierter des Verwaltungsrats der Kästli-Gruppe. Zwei Anwohnern der Kiesgrube aber dienen solche Rutschstellen als Zeichen dafür, dass das Unternehmen rücksichtslos umgeht mit dem Boden in Rubigen.

Gemeinde klärt den Fall ab

Seit 55 Jahren betreibt die Kästli AG aus Ostermundigen die Rubiger Kiesgrube an der Grenze zu Allmendingen. Sie will dies auch künftig tun, es gibt hier noch immer grosse Kiesvorkommen. Kästli will auch den Hauptsitz nach Rubigen verlegen und 15 Millionen Franken in ein neues Dienstleistungszentrum investieren. Vor einem Monat hat die Firma mit rund 300 Angestellten ihre Pläne in der Gemeinde vorgestellt. Aber ausgerechnet jetzt droht ihr Ungemach. Der Vorwurf: Kästli baue seit Jahren unrechtmässig Kies ab. Und die Gemeinde schaue tatenlos dabei zu. Einwohner von Rubigen, die ungenannt bleiben wollen, haben bei der Gemeinde Rubigen Anzeige erstattet.

Die Gemeinde hat Kenntnis davon. Auch sie will wissen, ob sie einen Abbau toleriert, der nicht den Bestimmungen entspricht. «Wir klären den Fall derzeit ab», bestätigt Gemeindepräsident Renato Krähenbühl (BDP). Die Gemeinde hat deshalb ein baupolizeiliches Verfahren eingeleitet. Die wohl entscheidende Frage ist, ob das Kiesgrubenreglement der Gemeinde noch gültig ist.

Ein umstrittenes Reglement

Ein verblichenes Exemplar des Reglements betreffend «die Erschliessung und Ausbeutung von Kies- und Sandgruben» ist auf der Website der Gemeinde Rubigen aufgeschaltet. 1961 wurde es in wackliger Schreibmaschinenschrift abgetippt. Darin steht etwa, dass der Abstand zwischen «Ausbeutungsgebiet» und Wohngebieten 200 Meter betragen müsse. Zudem dürfe nur ein kleiner Teil jeweils geöffnet sein, im Schnitt nicht mehr als 80 Aren.

Wegen solcher Bestimmungen sind die Anwohner überzeugt, dass das Reglement nicht eingehalten wird. Beim Bollholzweg etwa reiche die Kiesgrube viel näher an die Häuser heran als im Reglement festgelegt, finden sie. Aus ihrer Sicht ist das Reglement noch heute gültig.

Die Gemeindebehörden sind anderer Meinung. «Wir haben den Eindruck, dass das Reglement in vielen Punkten von der kantonalen und eidgenössischen Gesetzgebung überholt worden ist», sagt Krähenbühl. Er verweist auf einen Passus, wonach alle jeweils geltenden Vorschriften von Bund, Kanton und Gemeinde vorbehalten bleiben. Es gebe bis jetzt keinen Hinweis, dass Kästli illegal Kies abbaue.

Kanton liefert Bericht ab

Im Rahmen der baupolizeilichen Ermittlung holt die Gemeinde nun auch Berichte von Fachstellen des Kantons ein. So ist sie an das Amt für Wasser und Abfall gelangt in der Frage, ob Kästli Gewässerschutzbestimmungen verletzt. «Wir werden den Bericht bis voraussichtlich Mitte April vorlegen», sagt Jacques Ganguin, der stellvertretende Amtsleiter.

Das kritisierte Unternehmen ist sich derweil keiner Fehler bewusst. «Das über 50-jährige Kiesgrubenreglement ist völlig veraltet», sagt Daniel Kästli. Als es in Kraft gesetzt wurde, habe es zum Beispiel weder eine Luftreinhalteverordnung noch ein Raumplanungsgesetz, noch Gewässerschutzbestimmungen gegeben. Er ist aber auch der Meinung, dass das Reglement «längst an die aktuellen Gegebenheiten» hätte angepasst werden sollen. Er schliesst darum nicht aus, dass es Widersprüche zwischen verschiedenen Bestimmungen gibt.

Viele Bestimmungen

Wichtigste Grundlage für Daniel Kästli aber ist die Abbaubewilligung von 1958 und die Gewässerschutzbewilligung von 2002. 1958 habe es zudem die Häuser am Bollholzweg noch nicht gegeben. Kurz: «Es gibt viele verschiedene Bewilligungen und Verordnungen, an die wir uns halten müssen. Und das tun wir.» Welche Konsequenzen allfällige Verfehlungen hätten, ist offen. «Unser Ziel ist es nicht, unbedingt ein Urteil zu fällen», sagt Renato Krähenbühl, «sondern eine Lösung für alle Beteiligten zu finden.»

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Erstellt: 03.04.2013
Geändert: 03.04.2013
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