Rubigen - Eine hochprozentige Hommage
"Musig wo’s bringt": Die Tequila Boys holten in der Mühle Hunziken die Taufe ihres 2009 eingespielten Rumpelstilz-Remakes "Live im Anker" nach. Eine Art Zeitreise.
Die aktuelle Mühle-Leitung bleibt diesbezüglich diskreter, lässt sich aber auch nicht lumpen. Zwar sieht das Publikum zum 42. Saisonauftakt wenig von der Dachsanierung, die das alte Gebäude diesen Sommer erlebte – eine solche war aber überfällig. Schon eher ins Auge fällt beim Rundgang durch die aufgefrischte Mühle ein neu eingebautes Bullaugefenster.
Ohne Teleprompter
Auch die Tequila Boys sind darauf spezialisiert, Antiquitäten zu renovieren. Dem dabei aufgewirbelten Staub trotzt Berns wildeste Partyband mit Tequila-Shots, die man sich in regelmässigen Abständen hinter die Binde kippt. Rund eintausend Songs von «Tulpen aus Amsterdam» bis «Proud Mary» hat man angeblich mittlerweile im Repertoire, geprobt wird selten.
2009 wagten sich die Partylöwen ans «Live im Anker»-Album von Rumpelstilz, das die Miterfinder des Mundartrock zwanzig Jahre vorher anlässlich einer Reunion eingespielt hatten. Das auf CD greifbare Tequila-Remake blieb allerdings unbeachtet, wie Sänger Etienne «Diens» Marti konstatiert. «Etwa 30-mal verkauft» habe sich der Mitschnitt, meint er lakonisch und zeigt auf den aufgeklappten Ordner, der auf einem Notenständer vor ihm steht, und aus dem er die Texte abliest. «Für einen Teleprompter hat das nicht gereicht.»
Sieben Jahre haben die Tequila Boys ins Land ziehen lassen, bis sie die Plattentaufe in der Mühle Hunziken nachholen. Man sei in dieser Zeit professioneller geworden, sagt Co-Frontmann Basil «Baze» Eret. «Wobei professioneller ja nicht unbedingt besser heisst.» Vielleicht nicht besser. Aber abgeklärter – und bärtiger.
Angefeuert von einem Publikum, das deutlich jünger ist als an den «traditionellen» Mühle-Veranstaltungen, spielen sich die Tequila Boys in (fast) korrekter Reihenfolge durch den Stilz-Klassiker. Der Höhepunkt kommt gleich zu Beginn mit einer furztrocken funkenden Version des «Warehuus Blues» – dem ersten Berner Mundartrock-Song überhaupt – und einer radikalen Absage an die «schöni Plastigwält» des Kapitalismus. «Jede Morge lächlisch du mi dräckig a / mit dine Plexiglasouge u dim Reklame-Blabala», lautet die Eröffnungszeile.
Diens und Baze betreiben ein «Vocal Sharing» und sind – als gelernte Rapper – Meister des fliegenden Wechsels. Spätestens bei «Rote Wy» und erst recht bei «Alperose» und «Kiosk» kennt das festfreudige Publikum kein Halten mehr und singt lautstark mit. Doch das ist mehr als Karaoke auf professionellem Niveau.
Raphael Jakob (Gitarre), Benjamin Külling (Keyboards), Tevfik Kuyas (Bass) und Fabian Bürgi (Schlagzeug) sind versiert-virtuose Musiker, die auch in den anspruchsvolleren Arrangements einiger Stilz-Songs nicht untergehen. Zwar leidet die Präzision unter dem steigenden Alkohol- und Euphoriepegel – doch was solls. Wer von der Galerie zu den entfesselten Fans hinunterblickt, ohne die Band zu sehen, wähnt sich bisweilen an einem Polo-Hofer-Mühle-Gig in den 1980er-Jahren.
Es geht weiter!
Man hat die Tequila Boys schon als «Hüter des schlechten Geschmacks» beschrieben. Doch eine ironische Distanz zu den alten Songs hört man an diesem Abend weder in der Musik noch in den Ansagen. Wieso auch: In den Originalen hat es genug witzige Momente, und dass die Tequila-Musiker auch anders können, hört man auch so. Manches ist gleich geblieben: «Suufet, kiffet, u syt lieb u luschtig», hatte Anker-Wirt René Sutter das Credo anlässlich der Aufnahmen in seinem Lokal in Interlaken beschrieben.
An diesem erfrischenden Gig wird aber vor allem eines klar: Nicht nur Mani Matter hat zeitlose Berner Lieder geschrieben. Und – noch besser: Es geht weiter!