Rubigen - Der Scheidung trauert nach 20 Jahren niemand mehr nach
1993 trennten sich Allmendingen, Rubigen und Trimstein. Die Wege der drei ehemaligen Partner führen seither in unterschiedliche Richtungen. Die Scheidung ist aber nur in Rubigen ein Grund zum Feiern.
In Rubigen schlägt man heute Abend gleich drei Fliegen mit einer Klappe: Unter dem Motto «3 Feiern - 1 Fest» findet nicht nur die offizielle Bundesfeier statt, sondern auch die Einweihung des neuen Doppelkindergartens. Und: Die Gemeinde feiert 20 Jahre Selbstständigkeit, weil am 1. Januar 1993 sich die drei Viertelsgemeinden Rubigen, Allmendingen und Trimstein getrennt haben.
«Aus heutiger Perspektive hat sich die Trennung gelohnt und als richtig erwiesen», sagt Gemeindepräsident Renato Krähenbühl (BDP). Er verweist dabei auf die Entwicklung, welche die Gemeinde seither durchgemacht hat. Mit knapp 3000 Personen hat Rubigen heute so viele Einwohner wie vor 20 Jahren die drei Viertelsgemeinden zusammen. Andererseits habe Rubigen einen Teil seines ländlichen Charakters verloren, gesteht Krähenbühl ein.
Finanzielle Probleme
In Allmendingen hingegen wird die Selbstständigkeit in diesem Jahr nicht gefeiert. «Das ist bei uns kein grosses Thema», sagt Gemeindepräsidentin Sibylle Burger-Bono (FDP). Grund dafür seien die finanziellen Schwierigkeiten, in welche die Gemeinde kurz nach der Trennung geraten sei. In den letzten 20 Jahren sei es vor allem darum gegangen, aufzuräumen. Unterdessen gehe es der Gemeinde aber wieder gut. «Heute ist die Selbstständigkeit kein Problem mehr», sagt sie.
Als Einzige der drei ehemaligen Viertelsgemeinden hat Trimstein das Experiment Alleingang unterdessen wieder aufgegeben. Seit dem 1. Januar 2013 gehört das 500-Seelen-Dorf zur Gemeinde Münsingen. Genau 20 Jahre nach der Trennung gab es also die nächste Veränderung in Form einer Fusion. «Im Nachhinein wäre es wohl besser gewesen, wenn Trimstein zumindest bei Rubigen geblieben wäre», sagt Peter Baumann (SP).
Er war der letzte Gemeindepräsident von Trimstein und amtet heute als Gemeinderat von Münsingen. Baumann unterstreicht aber auch, dass Trimstein «nicht der grösste Problemfall im Kanton» gewesen sei und durchaus als selbstständige Gemeinde hätte überleben können. «Trimstein hätte aber einen Entwicklungsschritt machen müssen», ist Baumann überzeugt.
Nach den ersten sieben Monaten unter dem Dach von Münsingen zieht Baumann eine positive Zwischenbilanz - auch wenn es noch zu früh sei, um ein abschliessendes Fazit zu ziehen. Vor allem die Dienstleistungen seien besser geworden. Ein Beispiel: «Jetzt kommt die Kehrichtabfuhr wöchentlich und nicht wie vorher alle 14 Tage.»
Weitere Fusionen?
Als Trimstein die Fühler nach einem neuen Partner ausstreckte, war anfänglich auch Rubigen ein Thema. Schnell kristallisierte sich aber Münsingen als die bessere Partnerin heraus. Auch wenn man in Rubigen Gesprächsbereitschaft signalisiert hatte, ist man heute nicht unglücklich, dass am Ende die Nachbargemeinde zum Zug kam. «Im Gegensatz zu Münsingen hätten wir die Verwaltung aufstocken müssen, wenn die 500 Einwohner aus Trimstein zu uns gekommen wären», sagt Renato Krähenbühl. Fusionsprojekte mit anderen Gemeinden sind in Rubigen derzeit keine in Sicht.
Ähnlich ist die Situation in Allmendingen, obwohl Sibylle Burger-Bono sagt, dass sich in kleineren Gemeinden Fragen nach Kooperationen immer stellen würden. So arbeitet Allmendingen beispielsweise auf dem Gebiet der Feuerwehr und des Sozialwesens eng mit Muri zusammen. Von einer Fusion will die Gemeindepräsidentin gegenwärtig aber nichts wissen. Dies sei die extremste Form einer Kooperation, sagt sie.Allmendingen orientiert sich heute vor allem in Richtung Bern. Die politischen Kontakte nach Rubigen beschränken sich meistens auf Fragen, welche die Kästli-Kiesgrube betreffen. Diese befindet sich im Grenzgebiet der beiden Gemeinden. Mit Trimstein hat Allmendingen keine Berührungspunkte mehr. Zwischen Rubigen und Trimstein gab es in der Vergangenheit regelmässig Treffen der Gemeinderäte. Mit der Fusion von Trimstein mit Münsingen sind aber auch diese hinfällig geworden. 20 Jahre nach der Scheidung haben sich Allmendingen, Rubigen und Trimstein weitgehend auseinandergelebt.
EWR-Propaganda an der Beerdigung
Allmendingen, Rubigen und Trimstein bildeten über 150 Jahre eine Gemeinde.
Als die alte Einwohnergemeinde Rubigen an der letzten Gemeindeversammlung im Dezember 1992 zu Grabe getragen wurde, hielt sich die Enttäuschung in Grenzen. Der Grundtenor sei «heiter» gewesen, schrieb der «Bund» damals. Selbst der anwesende Regierungsrat Mario Annoni (FDP) würdigte die Aufsplittung in seiner Rede nur kurz, um dann rasch auf die unmittelbar bevorstehende EWR-Abstimmung einzugehen. Rubigen müsse in einem geeinten Europa erstarken und dieses führe über den Europäischen Wirtschaftsraum EWR, sagte Annoni vor 200 Zuhörern.
Das Ende der ehemaligen Einwohnergemeinde wurde 1984 eingeläutet, als Trimstein einen internen Finanzausgleich verlangte. Die kleinste und finanzschwächste Viertelsgemeinde fühlte sich benachteiligt, weil die Beiträge aus dem kantonalen Finanzausgleich nach den Indexwerten der «reicheren» Einwohnergemeinde berechnet wurden. Nach langer Diskussion sprachen sich die Stimmberechtigen 1989 schliesslich für eine Aufsplittung aus. 1992 gab der Grosse Rat grünes Licht. Die Trennung wurde am 1. Januar 1993 definitiv vollzogen.Hauptgrund für die Trennung war die komplizierte Organisationsform. Nebst der Einwohnergemeinde hatten auch die drei Viertelsgemeinden einen eigenen Gemeinderat. Im Gemeindehaus in Rubigen waren sogar zwei separate Sitzungszimmer vorhanden. Zudem gab es zwei verschiedene Steuersätze, einen für die Einwohnergemeinde und einen für die jeweilige Viertelsgemeinde.Warum sprach man aber von Viertelsgemeinden, obwohl nur drei Dörfer dazugehörten? Es gibt zwei Deutungen: Einerseits umfasste die Kirchgemeinde Münsingen einst vier Teile. Andererseits kann mit «Viertel» auch ein Teilgebiet gemeint sein - analog einem Stadtviertel.
Heute fördert der Kanton Fusionen
Die Trennung von Allmendingen, Rubigen und Trimstein 1993 war die letzte Aufspaltung einer Gemeinde im Kanton Bern. Unterdessen geht der Trend in die andere Richtung. Der Kanton will die Zahl der Gemeinden reduzieren und animiert diese zu Fusionen. Rolf Widmer vom kantonalen Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) sagt denn auch, dass Gemeindeabtrennungen der heutigen Strategie zuwiderlaufen würden. Entsprechend äussert er sich auch zum Fall Rubigen vor 20 Jahren. «Aus heutiger Sicht war die Trennung kein optimaler Entscheid.» Widmer verweist dabei vor allem auf die Verhältnisse in Trimstein. In Anbetracht der unterdessen vollzogenen Fusion mit Münsingen habe die Aufspaltung «wenig Sinn» gemacht. Wenn heute eine Gemeinde eine Aufteilung verlangen würde, würde man dies prüfen, so Widmer weiter. «Wir würden die Bestrebungen aber sicherlich nicht finanziell fördern.»