Rubigen - Auf Besuch beim Cowboy
Der Hut ist sein Markenzeichen, Pferde sind sein Leben: Hans Schmutz plädiert für einen neuen Umgang mit den Tieren. Begegnung mit einem Cowboy.
«Müüsli, komm her.... üsli.» Hans Schmutz klopft sich auf den Oberschenkel, haucht: «... sli.» Wer den Mann nur reden hört, kommt kaum auf die Idee, dass er mit einem stattlichen Pferd spricht. Wer ihn sieht, schon eher; er könnte einem guten alten Western entstammen: Cowboyhut, überdimensionierte Gürtelschnalle, dünner Schnurrbart. Die Arme in die Hüfte gestellt, wartet er auf die dunkelbraune Stute, die eben noch auf der Wiese gegrast hat und nun gemächlich herantrottet. «Kuss, Müüsli.» Sanft drückt das Pferd seine Nüstern an den Hals des Mannes.
Es ist ein schwüler Morgen. In der Ferne steckt das Stockhorn unter einem Dunstschleier. Blick übers Aaretal, zur Mühle Hunziken. «Magic Vision Ranch» nennt Hans Schmutz sein Zuhause – unkonventionell, wie der Mann selbst.
Es ist, was du bist
Schmutz trägt den Hut von morgens bis abends, war vor seiner Pensionierung Elektroniker und trainierte schon in seiner Kindheit Pferde. «Mein erstes Pferd erhielt ich mit zehn – es war ein Esel», erklärt er – und meint es ernst. Seit siebzehn Jahren lebt Schmutz auf dem Gehöft in Rubigen, im dreistöckigen Bauernhaus mit den Stallungen nebenan, direkt an der Hauptstrasse.
Hans Schmutz ist, was der Volksmund einen Pferdeflüsterer nennt. Er selbst mag das Wort nicht: «Tönt, als würde ich meine Tiere verhätscheln.» Das tue er aber auf keinen Fall. Er selbst sieht sich als Vorreiter, verficht eine «neue Philosophie» im Umgang mit Pferden. Dabei setzt er auf einen einfachen Grundsatz: «So lieb wie möglich, so streng wie nötig.» Bedeutet: Mundstück und Sporen bekommen seine Pferde niemals zu spüren, gesattelt werden sie nur im Ausnahmefall. Sie sollen ihn zwar als «Chef» wahrnehmen, jedoch nicht als «Sklaventreiber auf der Galeere». Die Peitsche ist absolut tabu.
Schmutz sagt, ein Pferd müsse man behandeln wie jedes andere Tier auch: «Niemand käme auf die Idee, eine Katze aufzuzäumen, ihr Gepäck auf den Rücken zu schnallen – warum soll das heute bei Pferden noch immer anders sein?» Seine Ideen legt der 65-Jährige auch in einem Buch dar. Unter dem Titel: «Dein Pferd ist, was du bist».
Kein Zirkus
Das Buch soll Pferdebesitzern «ethische und für Pferde verständliche Umgangsformen» näherbringen. Nach diesen Grundsätzen trainiert Schmutz auf der Ranch auch seine beiden Stuten, sogenannte American Quarter Horses. Die Rasse entstand einst in den USA, ist eine Kreuzung aus verschiedenen europäischen Arten, Arabern, Berbern. Die zahlenmässig grösste Pferderasse der Welt, sagt Wikipedia. «Unglaublich schnell, trotzdem ruhig im Gemüt», sagt Schmutz.
Wie ruhig, zeigt sich wenig später. Schmutz befiehlt seiner Stute, in die Knie zu gehen: «Müüsli, down, down.» Das Ross macht keinen Wank. Auch der Zupfer an der Mähne hilft nichts. Das Pferd bleibt stur. «Wir machen halt keinen Zirkus», sagt der Cowboy und rückt sich den Hut zurecht. Da drückt ihm das Pferd seine Nüstern an den Hals.