Rosmarie Zingg: "Ich war fast die Bibliothek"
Nach dreissig Jahren hörte sie mit der Leitung der Schul- und Gemeindebibliothek Konolfingen auf – und wurde mit Rosen überhäuft. Die Lehrerin und Organistin Rosmarie Zingg (65) machte die Bibliothek mit Innovationsgeist zur „Vorzeigebibliothek“.
„Liebe Rosmarie, mit viel Herzblut, Optimismus und einer grossen Portion Kampfgeist hast du unsere Bibliothek zu dem gemacht, was sie heute ist: Eine Vorzeigebibliothek.“ Mit diesen Worten dankt das Konolfinger Bibliotheksteam Rosmarie Zingg im aktuellen „Chonufinger“ für ihren Einsatz und listet ihre Verdienste auf.
Zwei Umzüge und die Digitalisierung der Ausleihe
„Ich war fast die Bibliothek“, meint Zingg denn auch mit einem Schmunzeln. Zwei Bibliotheksumzüge, 2003 vom Schulhaus Kirchbühl ins neue Gemeindehaus und 2012 in den Dachstock am Kreuzplatz 1, organisierte Zingg.
Unter ihrer Leitung fand die Bibliothek auch schon früh den Weg in die Digitalisierung: „Als ich kam, hatte es nur Bücher“, sagt Zingg. Kaum kamen sie auf, nahm sie auch Kinderkassettli und später CDs, CD-ROMs, Hörbücher und DVDs ins Sortiment auf. „Damit waren wir ziemlich voraus“, sagt sie.
Bereits vor der Jahrtausendwende gab sie den Anstoss für die Umstellung auf die elektronische Ausleihe. 1997 nutzte sie die Gelegenheit, als die Gemeinden Arbeitslose beschäftigen mussten, um den Bibliotheksbestand elektronisch zu erfassen. „Das hätten wir uns sonst nicht leisten können“, sagt Zingg.
Trotz e-Books kommen die Leute in die Bibliothek
Der jüngste Schritt Richtung Digitalisierung ist das Angebot von e-Books, welche sie vor vier Jahren ins Sortiment aufnahm. Und da fragte sie sich: „Wie kann man die Leute trotzdem in die Bibliothek holen?“ Denn wer ein e-Book-Abo gekauft hat, kommt weniger Bücher mehr holen.
Zinggs Lösung: „Wir bauten die Bildband- und Reiseführerabteilung aus. Das sind Bücher, die man gerne noch in die Hand nehmen will.“ Und: „Wir erweiterten auch das Angebot an Zeitschriften.“ 35 verschiedene Magazine stehen den Bibliothekskunden und -kundinnen heute zur Auswahl inklusive gemütlicher Lese- und Kaffee-Ecke. „Das hat sich gelohnt“, so Zingg.
Die Bibliothek zum Ort der Begegnung gemacht
Damit meint sie aber nicht, dass wieder mehr Bücher ausgeliehen wurden. „Die Ausleihstatistik ist in der heutigen Zeit nicht mehr relevant“, sagt die Zahlenliebhaberin. „Die Bibliothek soll ein Ort der Begegnung sein.“
Zingg war immer bestrebt, viele Leute in die Bibliothek zu holen, was sie unter anderem mit Veranstaltungen erreichen konnte. „Wir haben sehr viele junge Mütter mit Kindern in der Bibliothek“, sagt sie. Für die Entdeckung der Sprache bei ganz kleinen Kindern organisierte sie laut dem Bibliotheksteam sechzig „Buchstart“-Veranstaltungen. Dabei lernen Eltern mit Kleinkindern unter Begleitung einer Kindergärtnerin auf lustvolle Art Lieder und Värsli. „Das ist jeweils so härzig“, schwärmt Zingg, die selber Grossmutter ist.
„Schon sehr früh sehr modern“
Für ihre Grosskinder wird sie nun mehr Zeit haben. Und für die Musik. Ihre Tätigkeit als Organistin und Organisatorin der Konzertreihe für die reformierte Kirchgemeinde Konolfingen ist neben der Leitung der Bibliothek das zweite von Zinggs drei Standbeinen. Es ist auch dasjenige, das sie nun noch weiterführt. Bis vor vier Jahren unterrichtete sie zudem seit über dreissig Jahren Mathematik, NMM und Gestalten am an der Mittelstufe der Primarschule in Konolfingen.
„Alles im gleichen Quartier“, schwärmt Zingg. Sie habe grosses Glück gehabt, dass sie immer diesen drei Tätigkeiten gleichzeitig habe nachgehen können. „Ich mache alles so gerne“, sagt sie. Durch die Abwechslung habe sie sich trotz arbeiten immer erholen können.
Dass sie damit früh einen Lebensstil pflegte, der erst heute langsam normal wird, ist ihr bewusst. „Wir waren schon sehr früh sehr modern“, sagt sie. Ihr Mann habe in den letzten Jahren den Haushalt geführt und zu den Grosskindern geschaut. Und wenn viel lief habe sie schon ziemlich „müesse tischele“.
Siebzig Rosen für dreissig Jahre
Dass ihr Engagement geschätzt wurde, zeigte die rührende Geste des Teams und der Kunden der Bibliothek an ihrem letzten Arbeitstag. „Das Team lud ohne mein Wissen die Bibliotheksbenützer dazu ein, bei meiner letzten Ausleihe in die Bibliothek zu kommen und eine Rose mitzubringen“, erzählt Zingg. Dazu gab es einen „Riesenapéro“ und am Schluss durfte Zingg über siebzig Rosen mit nach Hause nehmen.