Region Bern-Mittelland - Linden probt den Aufstand
Die kleine Gemeinde Linden überlegt sich ernsthaft, die Region Bern-Mittelland zu verlassen. Grund dafür sind Unstimmigkeiten in der Regionalkonferenz. Der Gemeinderat spricht von einem tiefen Stadt-Land-Graben. Linden könnte damit einen Dominoeffekt auslösen.
Das vierte Traktandum an der Gemeindeversammlung von Linden birgt einiges an Zündstoff: Am Donnerstagabend können sich die Stimmberechtigten in einer Konsultativabstimmung dazu äussern, ob die Gemeinde künftig einer anderen Region angehören soll. Der Gemeinderat möchte von Bern-Mittelland zu Thun wechseln.
Damit nimmt Linden, wo Töffrennfahrer Tom Lüthi aufgewachsen ist, im Kanton Bern eine Vorreiterrolle ein. Seit der Verwaltungsreform von 2010 ist noch keine Gemeinde soweit gegangen. Der Fall hat aber noch eine weitere Komponente. Er zeigt auf, wie weit der Konflikt zwischen urbanen und ländlichen Kommunen innerhalb der Regionalkonferenz Bern-Mittelland (RKBM) unterdessen fortgeschritten ist.
In seiner Botschaft lässt der Gemeinderat von Linden kein gutes Haar an der RKBM. «Die Stimmenzuteilung nach Einwohnerzahl und die zu gross angelegte Region erzeugen ein Missverhältnis und provozieren einen tiefen Graben zwischen Stadt und Land.»
Weiter heisst es, die «Provokation» werde noch gesteigert, indem die RKBM vorwiegend Projekte in Stadt und Agglomeration fördere. «Unser Einfluss ist begrenzt. Vielfach sind wir nur Zaungäste, die wohl oder übel helfen, etwas mitzufinanzieren», sagt Gemeindepräsident Robert Schlapbach (parteilos).
Als Beispiel nennt er die neuen Kulturverträge, die kürzlich ausgehandelt wurden. Schlapbach fragt sich grundsätzlich, ob diese Linden etwas bringen. Zudem stört er sich am Finanzierungsschlüssel. Dieser basiert auf der Anreisezeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Linden sei gleich eingeteilt worden wie Oberdiessbach, obwohl der letzte Bus schon um 19.30 Uhr das Dorf verlasse. Linden zahlt künftig 9000 Franken pro Jahr an Kulturinstitutionen in und um Bern.
«Kein Stadt-Land-Graben»
Mit Interesse wird die Entwicklung im 1300-Seelen-Dorf auch in umliegenden Gemeinden beobachtet. Schliesslich ist keine Gegend kritischer gegenüber der RKBM eingestellt als das Kiesental. Der Bowiler Gemeindepräsident und SVP-Grossrat Moritz Müller glaubt sogar, Linden könnte einen Dominoeffekt auslösen. «In anderen Gemeinden macht man sich ähnliche Gedanken», sagt er.
Müller will denn auch einen Regionswechsel im Gemeinderat ansprechen. Er ist überzeugt, in der Region Emmental wäre Bowil besser aufgehoben. «Die Zusammenarbeit in der RKBM ist nicht gut. Sie ist zu gross und zu unterschiedlich.»
Wenn es zu einem Dominoeffekt käme, wäre das «ein schlechtes Zeichen», sagt Rudolf Flückiger (SP), Präsident der Geschäftsleitung der RKBM. Er bedauert es, wenn Gemeinden glaubten, sie kämen zu kurz. Der Gemeindepräsident von Schwarzenburg betont, er habe eine andere Wahrnehmung. «Für mich gibt es keinen Stadt-Land-Graben.»
Die Abstimmungen der Regionalversammlung würden klar ausfallen. Von der Stimmkraft her seien die Land-Gemeinden sogar in der Mehrheit. Die Stadt Bern habe zwar 44 Stimmen. Der Sektor Süd, zu dem auch Schwarzenburg zählt, habe aber gleich viele Stimmen – bei einem Drittel der Einwohner. Ausserdem flössen über das regionale Förderprogramm Millionen-Beträge in Projekte auf dem Land.
Langer Weg zum Wechsel
Gemäss Schlapbach wäre Linden in der Region Thun besser aufgehoben. Im dortigen Perimeter gibt es derzeit zwar keine Regionalkonferenz, dafür den Verein Entwicklungsraum Thun. Diesem gehörten weniger Gemeinden an als der RKBM und das Verhältnis zwischen Stadt und Land sei ausgewogener.
Der Weg nach Thun wäre ohnehin kürzer als nach Bern. «In vielen Sachen sind wir Richtung Thun orientiert», sagt der Gemeindepräsident. Er denkt ans Einkaufen oder an die Buslinie nach Linden, die von den Thuner Verkehrsbetrieben STI betrieben wird.
Klar ist aber auch, dass Linden einen langen Atem brauchen wird, um einen allfälligen Regionswechsel zu vollziehen. Ein solcher sei mit vielen Aspekten verbunden, sagt Rolf Widmer vom kantonalen Amt für Gemeinden und Raumordnung – etwa mit einer Gesetzesänderung, die vom Grossen Rat bewilligt werden müsste. «Man muss sich genau überlegen, ob man nur für eine einzige Gemeinde einen solchen Aufwand auf sich nehmen will.»
Vielleicht wird Linden am Ende aber nicht alleine sein. Zudem könnte der Gemeinde in die Hände spielen, dass der Kanton im nächsten Jahr die Aufgaben, Finanzierung und Perimeter der Regionalkonferenzen einer Überprüfung unterziehen wird. Diese Evaluation ist denn auch mit ein Grund, warum der Gemeinderat übermorgen eine Konsultativabstimmung durchführen lässt.