Radsport - Marcel Wyss und die IAM-Equipe auf der Schattenseite

Der Münsinger Radprofi Marcel Wyss wird an seiner zweiten Tour-de-Suisse regelrecht vom Pech verfolgt.

Micha Jegge, Berner Zeitung BZ

Schlafen ist schwierig geworden. Liegt Marcel Wyss im Bett, schmerzt jede Bewegung. Am Donnerstag ging der Münsinger Radprofi neuerlich zu Boden, notabene in der neutralisierten Zone unmittelbar nach dem Start. Unsanft landete der Emmentaler respektive dessen linke Körperseite auf einem Trottoir. Es handelte sich um «eine Unachtsamkeit im dümmsten Moment, weil die Körperspannung vor dem offiziellen Rennbeginn noch tief und die Verletzungsgefahr entsprechend höher ist». Vergangenen Samstag war der 26-Jährige im Prolog von einer Windböe erfasst, dabei förmlich aus der Balance geblasen worden und auf die rechte Körperseite gefallen.
 

Wyss sitzt in einem Hotel am Walensee, sieht aus wie ein Dompteur, welcher dem Löwen etwas zu nahe gekommen ist. Offene Wunden finden sich von der Schulter über die Hüfte bis zum Knie – links wie rechts. Wahrscheinlich sei «heute fertig», sagt er gut zwei Stunden vor Beginn des freitäglichen Teilstücks nach La Punt. Die Schmerzen im Rippenbereich beruhen vermutlich auf einem Muskelriss, bei Anstiegen kann der passionierte Bergfahrer nicht mehr aus dem Sattel steigen. Bleibt die Frage, weshalb er sich die Tortur über den Albulapass überhaupt antut. Die Antwort ist simpel: «Auf diese Etappe freue ich mich seit Monaten wie ein kleines Kind – ich muss es einfach versuchen.» Er beisst auf die Zähne, erreicht das Engadin mit fast einer halben Stunde Rückstand.
 

Ziel war, sich unter den besten 10 einzureihen. An der Tour de Romandie hatte der Berner seine Möglichkeiten angedeutet, in der Gesamtwertung als bester Schweizer Rang 10 belegt; nun ist er entkräftet und verletzt. Seine Lage spiegelt jene der Equipe – für IAM Cycling sieht es nach gutem Beginn düster aus. Stefan Denifl und Sébastien Reichenbach kamen bei Stürzen mit dem Schrecken davon, Heinrich Haussler hingegen ist infolge eines Beckenbruchs für längere Zeit auf Krücken angewiesen.
 

Die Pechsträhne schlägt aufs Gemüt. Wyss greift sich an die Stirn, konstatiert nüchtern, er wisse gar nicht, wie es um seine Form stehe – «ich konnte nie ans Limit gehen». Spätestens nach der Schweizer Meisterschaft vom nächsten Wochenende wird er eine Pause einschalten, regenerieren, sich wieder herantasten. Sollte er die erwünschte Verfassung erlangen, würde er im September gerne seine erste Profi-WM bestreiten. Der Kurs in Florenz ist kupiert, kommt seinen Qualitäten entgegen. Irgendwann, so hofft er, möge sich Fortuna ihm zuwenden.


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Erstellt: 15.06.2013
Geändert: 15.06.2013
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