Radsport - "Der Schmerz macht einen Teil der Faszination aus"
Andreas Schweizer strebt am Gurnigel-Panorama-Classic eine Medaille an. Der gemächliche Allmendinger mag die Geschwindigkeit.
Fabian Christl, Der Bund
Gurnigel dreifach heisst es morgen für Andreas Schweizer. Der 33-jährige Allmendinger ist einer von 70 Teilnehmern des Radsport-Events Gurnigel-Panorama-Classic. Schweizer hat sich für die anspruchsvollste Kategorie entschieden. Gleich dreimal wird er den Gurnigelpass überqueren. Dabei legt er auf einer Gesamtstrecke von 155 Kilometern rund 3700 Höhenmeter zurück. Die steilsten Streckenabschnitte haben eine Steigung von 15 Prozent. Wieso tut man sich das an? In seiner schlichten Wohnung in Allmendingen versucht sich Schweizer zu erklären: «Das Leiden und der Schmerz machen einen Teil der Faszination aus», sagt er. Es sei wie eine Sucht. Während jedes Rennens schwöre er, dass es das letzte gewesen sei, «doch, sobald ich über die Ziellinie fahre, hören die Schmerzen auf.»
The winner takes it all
Er sehe das Radfahren als «Hobby», sagt Schweizer und lächelt verschmitzt. Aus gutem Grund: Schweizer trainiert sechsmal pro Woche während zwei bis vier Stunden. Als Jugendlicher fasste er gar eine Profi-Karriere ins Auge. Gesundheitliche Probleme haben dies aber verunmöglicht. Mittlerweile fährt er Amateurrennen. Mit grossem Erfolg: «Ich gewann schon acht Schweizer-Meister-Titel», sagt Schweizer. Dass er schon zweimaliger Vizeweltmeister ist, kommt während des Gesprächs eher zufällig aus. «Für einen Wettkämpfer zählen halt nur Goldmedaillen.» Morgen am Gurnigel-Panorama-Classic würde er sich aber auch mit einer Silbermedaille zufriedengeben. «Ich strebe einen Platz unter den ersten drei an.» Rennen von solchem Ausmass gehören für Schweizer sowieso zur Ausnahme. Meist fährt er kürzere Strecken mit einer Fahrzeit von 15 bis 120 Minuten. «Dann kann man von Anfang bis Ende Vollgas geben.»
Seine Faszination für Geschwindigkeit - in seiner Freizeit fährt er auch noch Motorrad - steht in Widerspruch zu seinem ruhigen und gemächlichen Wesen. Schweizer bewegt sich eher langsam und spricht kaum ein Wort zu viel. Als Spitzen-Radfahrer hat er einen Ruhepuls von 40. Bei Schweizer ist der Puls Programm. Er beschreibt sich selber als «introvertiert» und «eigenbrötlerisch». «Von mir sind keine grossen Emotionsausbrüche zu erwarten», sagt er. Selbst wenn er ein Rennen gewinne, merke man es ihm nicht an.
Mühsame Dopingkontrollen
Auch wenn das Gespräch auf das für Radrennfahrer eher unangenehme Thema Doping kommt, bleibt er ganz gelassen. «Ich nehme kein Doping», sagt Schweizer. Dies belegten diverse bereits erfolgte Kontrollen. Die Kontrollen findet er trotzdem mühsam. Die Kontrolleure kämen meist, nachdem er bereits auf der Toilette gewesen sei oder wenn er schon alle Flüssigkeit ausgeschwitzt habe. «Es dauert stets eine Ewigkeit, bis der Becher endlich voll ist.» Für gedopte Kollegen zeigt er wenig Verständnis. «Ich kann es nicht nachvollziehen, dass Amateursportler aus übertriebenem Ehrgeiz zu ungesunden Mitteln greifen.»
Sein persönlicher Ehrgeiz sei am Abnehmen. Das Radfahren gefalle ihm zwar nach wie vor, «die Rennen werden aber langsam mühsam». Vor allem der grosse Aufwand werde ihm langsam zu viel. Für ein Rennen gehe meist ein ganzes Wochenende drauf. Zudem habe er noch ein Leben neben dem Radfahren, das ihm durchaus auch Spass bereite.
Dazu gehört etwa sein Beruf. Schweizer arbeitet in der Abteilung für Prüfung und Messung in einer Schiesspulverfabrik. Eine nicht ganz unumstrittene Arbeit, wie er spätestens seit der Initiative gegen Kriegsmaterialexporte weiss. «Wir fürchteten um unseren Job», sagt Schweizer. Moralische Bedenken habe er aber keine. «In der Schweiz sind die Ausfuhrbestimmungen sehr restriktiv», sagt er zu Begründung. Und schliesslich biete die Fabrik 200 Menschen einen Arbeitsplatz.
Eine Freundin, vier Nager
Zu seinem Leben ausserhalb des Radfahrens gehört auch seine Partnerin, mit der er eine Wohnung und vier Degus, chilenische Nagetiere, teilt. Seine Freundin fährt keine Radrennen und betreibt auch nicht so exzessiv Sport wie Schweizer. «Für sie war es ein ziemlicher Kulturschock, als sie mich zum ersten Mal an ein Radrennen begleitet hat.» Sie wäre bestimmt nicht traurig, sagt Schweizer, «wenn ich ein bisschen kürzertreten würde».