Prozess: Schütze von Konolfingen ist unter Druck
Das Obergericht überprüft das Urteil gegen einen Mann, der beim Bahnhof Konolfingen einen Mann angeschossen hat.
Sein Mandant hatte Berufung gegen ein Urteil des Regionalgerichts Bern-Mittelland vom 29. November 2013 eingelegt. Das Gericht verurteilte ihn damals zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren. Das Gericht war überzeugt, dass der Mann aus Mazedonien bei einem Streit beim Bahnhof Konolfingen zweimal auf einen Albaner geschossen hatte – einmal, als dieser schon am Boden lag. Das Gericht ging von versuchtem Mord aus. Das Opfer sitzt seither im Rollstuhl.
Zudem verurteilte es den heute 29-Jährigen wegen versuchter vorsätzlicher Tötung. Er soll auf einen weiteren Albaner gezielt, ihn aber nicht getroffen haben.
Zwei Schüsse trafen
Die drei Involvierten kannten sich. Der Täter hatte dem einen Albaner einen BMW abgekauft. Nur bezahlen konnte er ihn nicht. Deshalb zogen die beiden noch einen zweiten Albaner in den Handel ein, der als Vermittler auftreten sollte.
Am Tatabend fuhren die drei in einem Auto zum Haus des Täters. Dieser hatte erklärt, er habe dort 5000 Franken liegen, die er für das Auto zahlen könne. Die Wohnung befindet sich beim Bahnhof Konolfingen, die beiden Anderen folgten ihm ins Haus. Im zweiten Stock zückte der Täter einen Revolver. Im Haus fielen noch zwei Schüsse, zwei weitere auf dem Bahnhofplatz. Die beiden Treffer gelangen dem Schützen schliesslich beim Selecta-Automaten. Er schoss den Vermittler zuerst in die Brust, dann in den Kopf.
Unerträglicher Druck
Aus Sicht des Verteidigers wurde der Täter zuerst von den den beiden anderen zur Autofahrt gezwungen. Den einen Schuss im Treppenhaus habe er nicht in Richtung der Flüchtenden abgegeben. Klar sei auch, dass beim Schuss in den Kopf das Opfer nicht am Boden gelegen haben könne. Dafür gebe es Zeugen.
Sein Mandant sei das Opfer des Fajde-Systems geworden, das in den Herkunftsländern der Involvierten verbreitet sei, sagte der Verteidiger. Durch dieses Geldleihsystem, das Züge organisierter?Kriminalität trage, seien die Schulden seines Mandanten immer mehr gestiegen – und der Druck auf ihn ins «Unerträgliche». Für Rohrer ist eine Freiheitsstrafe von maximal zehn Jahren angemessen. Im Fall des getroffenen Vermittlers handle es sich um versuchte vorsätzliche Tötung. Im anderen Fall müsse ein Freispruch erfolgen.
Die Absicht, zu töten
Staatsanwalt Charles Haenni forderte dagegen eine Haftstrafe von 18 Jahren wegen zweifachen versuchten Mordes. «Die Tat hat Entsetzen ausgelöst.» Sie habe einer Hinrichtung geglichen. Aus seiner Sicht fehlen für das Fajde-System die Beweise. Gewiss seien die Kontrahenten keine «unzimperlichen Männer» gewesen. Der Beschuldigte habe sich durch den Autokauf aber selbst in eine schwierige finanzielle Situation gebracht.
[i] Siehe auch:
-News-Artikel "Konolfingen - Schiesserei beim Bahnhof: Schütze ist geständig" vom 18.07.2012
-News-Artikel "Konolfingen - Der Streit begann schon vorher" vom 21.07.2012
-News-Artikel "Konolfingen - Nach Schiesserei: Opfer hat bleibende Schäden" vom 12.11.2012
-News-Artikel "Konolfingen - Zeuge: "Es war wie eine Hinrichtung" vom 27.11.2012