Prozess: Plünderer im Bernapark
Ein Mann bediente sich während Monaten im Bernapark in Deisswil. Die stillgelegte Kartonfabrik war eine Fundgrube für ihn. Jetzt steht er vor Gericht.
Der Bernapark ist sein Schlaraffenland. Ein Mann aus dem Berner Oberland fährt von Oktober 2012 bis Januar 2013 gleich mehrmals nach Stettlen. Auf dem Industriegelände befinden sich noch die alten Anlagen der früheren Kartonfabrik Deisswil. Der Mann räumt ab, was er findet, und demontiert, was ihm dient. Teile von Maschinen, Komponenten von Elektroanlagen.
Am Ende erschrickt er selbst über das Ausmass: Drei Tonnen Material kommen zusammen. Aber er kann nicht anders. Denn der 58-Jährige ist nicht nur ein Technikfreak. Er ist auch ein Messi. Und ein Kleptomane. Die Sammelsucht und das zwanghafte Stehlen führten ihn gestern vor das Regionalgericht Bern-Mittelland. Der Elektromonteur ist wegen Diebstahl, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch angeklagt. Der Bernapark ist nur der schwerste Fall unter vielen. Seit 2012 schaute er gleich bei sieben verschiedenen Betrieben vorbei. Er ist zudem mehrfach vorbestraft.
Durchs offene Tor
Die Kartonfabrik Deisswil wird 2010 stillgelegt. Die riesigen Kartonmaschinen werden nicht mehr benötigt. Davon liest der Angeklagte in der Zeitung. «Beim ersten Mal betrat ich das Areal durch einen Seiteneingang», sagte er gestern im Gerichtssaal. «Ich fand zwei Schwerlastrollen in einer Werkstatt.» Er packt sie ein und fährt mit dem Auto nach Hause. Dann kommt er immer wieder.
Das Material lagert er daheim und in einem Schopf, den er mietet. «Sie haben es mir furchtbar einfach gemacht», sagte er. Die Tore sind tagsüber geöffnet. Auch anderswo hat er Glück. Einmal betritt er eine Baustelle und sieht eine Metallbandsäge. «Ich hätte schon lange gerne eine solche Säge gehabt. Ich überlegte: Soll ich oder soll ich nicht? Aber es war eine einmalige Gelegenheit.» Er nimmt sie mit.
Einigung mit Bernapark
Der Bernapark trat im Verfahren als Privatkläger auf. «Zuerst wollten wir die Maschinen komplett verkaufen», sagte Geschäftsführer Ivo Sonderegger. Das stellt sich als unmöglich heraus, ab 2012 bietet das Unternehmen die Einzelteile an. Doch es werden immer weniger. «Nach und nach merkten wir, dass einzelne Teile fehlten.»
Am 31. Januar 2013 wird der Dieb vom Sicherheitsdienst gefasst. Gestern einigte sich Sonderegger mit dem Angeklagte auf eine Zahlung von 10 000 Franken. «Wir machen das aus menschlichen Gründen», sagte er. «Nicht weil wir das Gefühl hätten, der Schaden sei so klein.» Der Wert aller gestohlenen Waren wurde auf 346 000 Franken beziffert, der Sachschaden auf 171 000 Franken.
Deliktsumme umstritten
Diesen Betrag zweifelte die Verteidigung aber vehement an. «Wir können schlicht nicht überprüfen, ob diese Zahlen stimmen», sagte Anwalt Sven Sievi. Er ging von einer Summe von weniger als 100 000 Franken aus. Seinem Mandanten hielt er zugute, dass er die Dinge «einfach haben wollte». Es sei ihm nicht um ein Geschäft gegangen.
«Es scheint, als wusste der Angeklagte nicht, dass die Maschinen noch jemandem gehörten», sagte Staatsanwalt Hermann Fleischhackl. Er forderte eine Freiheitsstrafe von 36 Monaten, der Verteidiger kam auf 16 Monate. Einig waren sie sich, dass die Strafe zugunsten einer ambulanten Massnahme aufgehoben werden soll. Das Urteil wird heute verkündet.