Peter Vogel: In seinem Keller lagert die Geschichte Oberdiessbachs

Man nennt ihn den Dorfchronisten Oberdiessbachs, er selber nennt sich lieber „Hobby-Heimatkundler“: Peter Vogel (79) schreibt seit Jahrzehnten die Geschichte Oberdiessbachs auf. Der Büchernarr ist selber ein wandelndes Buch.

Isabelle Berger. isabelle.berger@bern-ost.ch

„Jemand muss es machen“, sagt Peter Vogel auf die Frage, warum er seine Freizeit der Geschichte Oberdiessbachs verschrieben hat. Er sei in die Sache reingerutscht. Schon sein Gross- und sein Urgrossonkel schrieben von Hand historische Ereignisse aus Oberdiessbach auf. Von seinem Vater, dem Bäckermeister Niklaus Vogel übernahm Peter Vogel dann die Aufgabe und führte dessen Aufzeichnungen in grossen dicken Chroniken mit schwarzem Einband nahtlos weiter.

 

Ein Keller voller Geschichten

 

„Ich habe jahreweise die Geschichte des Ortes aufgeschrieben. Zuerst von Hand, dann auf dem Computer und jetzt wieder von Hand“, erzählt Vogel. In seinem Keller zeigt er die grossen schwarzen Chroniken und reihenweise Ordner, in denen er seine Berichte abheftete.

 

Der alte Computer steht abgedeckt und unbenutzt in einem der Zimmer in Vogels Keller. Er habe noch Dateien auf Disketten, könne aber nicht mehr darauf zugreifen. Darum setzt er sich nun wieder mit Stift und Papier an seinen grossen Schreibtisch im Nebenzimmer, wenn er etwas aufschreiben muss.

 

Literatur als Leidenschaft

 

In Schränken, Regalen und Kisten lagern im Keller zudem unzählige Bücher, Fotos, Hefte und dergleichen. Ein Teil davon ist seine umfassende Sammlung von Literaturklassikern. „Ich habe fast alles auch gelesen“, sagt er. Französische Autoren wie Dumas oder Voltaire las er in der Originalsprache. „Während der Schul- und Lehrzeit las ich aber am liebsten Winnetou“, schmunzelt er. Davon zeugt eine lange Reihe Karl May-Bände in gediegenen Umschlägen.

 

Einige der schön eingebundenen Buchreihen hat er gesammelt, als er beim Verlag Editions Rencontre in Lausanne arbeitete und sich jeden Monat ein Buch für sich auslesen durfte. Dort betreute er die wissenschaftlichen Werke und bearbeitete Manuskripte.

 

Vom Schriftsetzer zum Primarlehrer

 

Die Tätigkeit bei Editions Rencontres war eine von mehreren beruflichen Stationen im Leben Vogels. In Oberdiessbach geboren, lernte er in Langnau Schriftsetzer. Nach seiner Rückkehr aus dem Waadtland arbeitete er in Münsingen als Revisor, bevor er sich zum Primarlehrer ausbilden liess. Als solcher war er kurz in Wichtrach und danach bis zur Pensionierung in Oberdiessbach tätig, wo er auch als Schulleiter fungierte.

 

„Gibs em Vogel“

 

Der zweite grosse Teil dessen, was in Vogels Keller lagert, sind Dokumente der Oberdiessbacher Geschichte. „Es gibt noch vieles, das ich nicht ausgewertet habe“, sagt Vogel. Ein grosser Teil der Sachen wurde ihm gebracht. „Gibs em Vogel“, habe es jeweils geheissen.

 

„Viele der Mappen, Drucke und Bilder sind nur noch bei mir erhalten“, sagt Vogel. Das Sammeln habe ihm auch viel Freude gemacht. „Besonders, wenn ich auf etwas gestossen bin, bei dem ich dachte 'Gut, dass wir das noch haben'“, sagt er.

 

Autor mehrerer Bücher

 

Damit die Zeitdokumente Verbreitung finden, willigte Vogel ein, gemeinsam mit Christoph Oesch das Buch „Oberdiessbach. So haben wir’s gesehen – so haben sie’s erlebt“ zu publizieren. 2015 erschien das Buch mit über 200 kommentierten Abbildungen. Oesch sei mit der Idee für das Buch auf ihn zugekommen. „Ohne ihn gäbe es das Buch nicht“, sagt Vogel. Oesch übernahm das Administrative der Buchproduktion.

 

Es ist die letzte einer Reihe von Publikationen, die Vogel geschrieben hat. Neben der Chronik hat er sich immer wieder Einzelthemen gewidmet, wie dem Buumehus, dem Schloss Oberdiessbach oder der Kirche. „Und es gibt kaum einen Verein im Dorf, für den ich nicht eine Chronik zusammengestellt habe“, sagt er.

 

Wenn sich Gegenwart und Geschichte vermischen

 

Dementsprechend hat er auch viel zu erzählen, aus der selbst erlebten Geschichte und der vorangegangenen, die er erforscht hat. Jahrzahlen und Namen sucht er gezielt aus seinem Gedächtnis. Weiss er etwas nicht, zieht er ebenso gezielt Bücher oder Notizhefte aus einem der Regale im Keller, die bis zur Decke zweireihig gefüllt sind. Wenn er hie und da den Faden verliert, was seit einem Schlaganfall öfter vorkommt, hilft seine Frau Margrit aus.

 

2000 hielt er in der voll besetzten Aula der Dorfschule ein Referat unter dem Titel „Unser Dorf im 20. Jahrhundert“. Ganz zu Beginn habe er eine Anekdote von einem Schüler erzählt, der seinen Widerstand gegen die Schule in Gedichtform an die Wandtafel schrieb. „Plötzlich winkte hinten im Saal einer mit dem Hakenstock“, erinnert sich Vogel. Es war besagter Schüler, der mittlerweile in Thun wohnte und den eine Bekannte auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht hatte. „So vermischten sich Gegenwart und Geschichte immer wieder“, lacht Vogel.

 

Er feierte schon das letzte Ortsjubiläum

 

Miterlebt hat er auch das letzte Jubiläumsfest vor 50 Jahren. „Das habe ich in ausserordentlich guter Erinnerung“, sagt er. Eine grosse Sache sei es gewesen.

 

„Es gab einen Umzug mit verkleideten Leuten, die historische Gruppen von den Kelten bis heute darstellten“, erinnert er sich. Auch der Schlossgarten sei geöffnet gewesen. „Das war damals etwas Besonderes“, betont er.


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Erstellt: 04.04.2018
Geändert: 04.04.2018
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