Peter Knecht: "Ich korrigierte nie gerne"

Peter Knecht hat während 45 Jahren Dritt- und Viertklässler*innen in Konolfingen unterrichtet. Im Sommer geht er in Pension. BERN-OST sprach mit ihm übers Schule geben und darüber, wie sich sein Beruf in dieser Zeit verändert hat.

Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch

Schon Peter Knechts Vater war Lehrer. Deshalb fiel der Apfel nicht weit. Sein Vater habe immer gesagt: "Lehrer ist der schönste Beruf." Auch Knechts Frau wurde Lehrerin, sowie zwei seiner Söhne. Er selbst habe nie viel über die Berufswahl nachgedacht und dann halt das Lehrerseminar in Hofwil besucht.

 

Dass er ein Leben lang Lehrer blieb, erklärt er so: "Zuerst natürlich wegen den Kindern. Ich hatte immer 3./4. Klässler, das sind 9- bis 11-jährige Kinder und die sind cool. Bei den Kindern hat sich wenig bis nichts geändert. Die kamen schon früher voller Energie zur Schule und tun das auch heute noch." Aber nicht nur das, bis heute schätze er: "Der Beruf ist vielseitig und kreativ. Lehrpersonen haben auch heute noch viele Freiheiten."

 

Seine erste Schulklasse

Knecht hat seine erste Klasse 1976 übernommen. Klar, erinnere er sich noch an die Klasse. "Die waren damals zehn Jahre jünger als ich. Ein Schüler dieser Klasse ist heute der Nachbar meines Sohnes." Auch sonst kenne er einige seiner ehemaligen Schüler*innen. Es gebe auch solche, die hätten bei ihm die Schulbank gedrückt und deren Kinder seien dann auch wieder bei ihm gelandet.  

 

Schule geben einst und jetzt

Knechts Aussage über den Wandel des Unterrichtens erstaunt: "Eigentlich hat sich in den 45 Jahren nicht viel verändert." Aber man liest doch stets in welchem Spannungsfeld sich Lehrer*innen bewegen, von Kindern, die nicht gehorchten und Eltern, die ihre Kinder in Schutz nähmen. Knecht winkt ab. "Von den Kindern her hat es sich wenig verändert. Ich hatte schon als Junglehrer keine Autoritätsprobleme.

 

Auch die Zusammenarbeit mit den Eltern habe sich kaum verändert." Er spreche nicht nur in seinem Namen, auch von anderen Lehrer*innen höre er dasselbe. "Was sich verändert hat, der Prüfungsdruck bei den 3./4. Klässler*innen ist nicht mehr da. Mit der Umstellung auf das Schulmodell 6/3 hat sich dieser gegen oben verschoben."

 

Keine Handys im Schulzimmer

Angesprochen darauf, dass die Schüler*innen vor 45 Jahren noch keine Handys auf sich trugen, sagt Knecht: "Das Handy ist in meiner Klasse kein Thema. Die Kinder sind höchstens elfjährig." Ein paar wenige hätten schon ein Handy, aber die nähmen das nicht mit zur Schule. Im Schulhaus gelte die Regel, dass das Handy ausgeschaltet werden müsse.

 

"Was sich verändert hat, aber positiv, ist die Unterrichtsform. Das drillmässige Lernen, Franzwörter pauken, Diktate schreiben, steht nicht mehr im Vordergrund. Die Aufgabenstellungen und das Üben sind reichhaltiger geworden." Heute werde auch schon Frühfranzösisch unterrichtet. Die Kinder schreiben anspruchsvollere Texte oder Tagebuch. "Letztes Jahr haben wir ein Buch geschrieben. Ein Sammelband mit 40 Kurzgeschichten der Kinder aus drei Klassen von Konolfingen, Niederhünigen und Stalden."

 

Was sich auch noch verändert habe sei: "Als ich angefangen habe, war ich als Lehrer auf mich gestellt. Das ist heute anders, heute sind wir ein Team von Lehrpersonen, die Türen sind offen."

 

Fast keine Bauernkinder mehr

Auf den zweiten Blick hat sich doch einiges verändert in der Schule. "Damals hatte es viele Bauernkinder, heute nur noch etwa eines pro Klasse." Ausländerkinder würden höchsten auf dem Papier existieren, sagt Knecht. Das seien eigentlich alles Secondos. Die meisten seien bereits in der Schweiz eingeschult worden und würden deshalb die deutsche Sprache verstehen.

 

Was es aber ab und zu gebe, seien englischsprachige Kinder, die nach Konolfingen kommen, weil ihre Eltern in der Nestlé arbeiten. "Das Kind spricht nur englisch, aber das ist heute kein Problem. Die meisten können sich mit ihm in Englisch unterhalten. Die lernen das vom Fernseher, von der Musik oder von zuhause." Das hätte es vor 45 Jahren nicht gegeben.

 

Die Schattenseiten des Berufs

"Ich korrigiere nicht gerne. Ich habe mir immer eine Korrekturmaschine gewünscht", sagt Lehrer Knecht lachend. Texte oder Mathe zu korrigieren sei sehr zeitintensiv. Auch das mit den Noten sei so eine Sache: "Als Junglehrer musste ich wegen des Sekübertritts die Kinder stets beurteilen. Ich habe mich immer dagegen gewehrt. Ich beurteile lieber, was hat das Kind dazugelernt hat. Ich war schon immer gegen Noten." Heute werden bis zur 3. Klasse keine Noten vergeben, sondern es finden Gespräche statt. Erst ab der 4. Klasse wird pro Fach eine Note vergeben.

 

Die Sonnenseiten

Er habe in all den Jahren viele Projekte mit Kindern entwickeln und durchführen können. Knecht schwärmt von Landschulwochen, Theateraufführungen, Musicalprojekten oder auch Skilagern. Es gebe in jedem Schuljahr ein paar Highlights. Eines der verrücktesten habe er als Neuling gewagt. Knecht organisierte damals für seine Viertklässler*innen eine Landschulwoche. "Wir gingen mit den 32 Kindern zum Thema Römer für eine Woche nach Kaiseraugst. Die Eltern fanden, dies sei sehr gewagt. Wir haben das im jugendlichen Übermut locker gesehen."

 

Heute könnte man so etwas nicht mehr machen. "Die Sicherheitsvorschriften sind zu hoch. Schon, um in ein Schwimmbad zu gehen, braucht man heute mindestens zwei Lehrpersonen mit Rettungsschwimm-Brevet." Knecht hat mit seinen Klassen viel unternommen. "Ein Highlight war ein Trekkingzug. Da waren wir eine Woche mit dem Zug unterwegs." Einmal verbrachten sie eine Woche auf einem Schiff auf dem Bielersee. "Ein andermal fuhren wir mit dem Velo während einer Römer-Woche von Avenches (Aventicum) nach Augst (Augusta Raurica)."

 

45 Jahre beim selben Arbeitgeber

Ein Grund, dass er im selben Schulhaus blieb, sei, er habe sich musikalisch weitergebildet. "Ich war nie nur Lehrer, sondern auch noch Musiker." Knecht hat noch eine Anstellung als Chorleiter bei der reformierten Kirchgemeinde Konolfingen. Zudem ist er Dirigent beim gemischten Chor Freimettigen und beim Orchester Konolfingen.

 

"Wir hatten es im Schulhaus Stalden immer gut. Deshalb blieb ich. Die Jahre sind verflogen." Zum Abschluss findet für alle Schüler*innen in der letzten Schulwoche ein Zirkusprojekt statt. Der Circus Luna stellt ein Zelt hinter dem Schulhaus auf. "Alle 100 Kinder der Schule treten in einer farbigen Show auf." Danach sei Schluss.

 

[i] Peter Knecht wurde Anfang März 65-jährig. Er hat während 45 Jahren 3. und 4. Klässler*innen im Schulhaus Stalden, Konolfingen unterrichtet. Diesen Sommer geht er in Pension.


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Erstellt: 19.04.2021
Geändert: 19.04.2021
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