Pensionskasse - Riskante Strategie führte zum Millionenloch
Die Pensionskasse Bolligen, Ittigen, Ostermundigen (PVS BIO) muss saniert werden. Wie konnte es so weit kommen? Heute Abend könnte das an der Gemeindeversammlung in Bolligen für Gesprächsstoff sorgen.
Bis vor sieben Jahren sah es noch gut aus mit der Personalvorsorgestiftung der Gemeinden Bolligen, Ittigen und Ostermundigen (PVS BIO). Der Deckungsgrad lag bei 106 Prozent und damit ziemlich genau im schweizerischen Mittel. Dann geschah, was allen anderen Pensionskassen auch passierte: Die Finanzkrise schlug mit voller Wucht zu, und die Aktien sausten im freien Fall in den Keller.
Zu riskante Strategie
Freilich gibts nun hier zwischen der PVS und anderen Kassen einen grossen Unterschied: Der Deckungsgrad der PVS fiel auf 81 Prozent und damit deutlich stärker als bei vergleichbaren Kassen. Gemäss dem Pensionskassenmonitor von Swisscanto lag der durchschnittliche Deckungsgrad Ende 2008 bei 92 Prozent. Colette Nova braucht nicht lange für die Analyse: «Die Kasse verfolgte offenbar eine zu riskante Strategie.» Die Zahlen geben der Vizedirektorin im Bundesamt für Sozialversicherungen recht: Ende 2007 führte die PVS BIO einen Anteil der Aktien inklusive alternativer Anlagen von 47 Prozent, also am oberen Ende des gesetzlich Erlaubten.
Im Jahr darauf, 2009, erwirtschaftete die Kasse eine Rendite von 12 Prozent, und die verantwortlichen Stiftungsräte wiegten sich in dem Glauben, es werde immer so weitergehen und man werde mit überdurchschnittlichen Renditen das Loch wegputzen. «Diese Rechnung geht nicht auf», weiss Colette Nova. «Kassen mit einer erheblichen Unterdeckung kann man nicht mit überdurchschnittlichen Renditen sanieren.» Nova ist auch Mitglied im Grossen Gemeinderat von Ostermundigen. Sie reichte am 23. Oktober einen Vorstoss ein, in dem sie auf die Zustände aufmerksam machte und vom Gemeinderat verschiedene Antworten forderte (Ausgabe vom 1. November 2014). Nicht nur 2008, auch in den Folgejahren erwirtschaftete die PVS BIO zu tiefe Renditen.
Die Vermögenssituation – in der Bilanz auf der Aktivseite – ist das eine. Das noch grössere Problem findet man auf der Passivseite der Bilanz, bei den versprochenen Leistungen. Dies wurde erkannt. So erhöhte der Stiftungsrat auf Anfang 2009 die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge um je 1 Prozent. Ab 2010 kam zusätzlich ein Sanierungsbeitrag von je 1 Prozent hinzu. «Rückblickend betrachtet war das zu wenig», konstatiert Bernhard Egger, der seit 1994 die Kasse leitet.
Ein Tropfen auf den heissen Stein
Der Pensionskassenspezialist Werner C. Hug: «Mit solchen geringen Beitragserhöhungen kann man eine Kasse mit massiver Unterdeckung nie und nimmer sanieren.» Ähnlich äussert sich Hans Flury (SP), Präsident der Geschäftsprüfungskommission in Bolligen: «Diese Beitragserhöhungen sind ein Tropfen auf den heissen Stein. Das war nur die Korrektur früherer Sünde.» Der ehemalige Finanzchef der BLS meint damit die Tatsache, dass die Beiträge im Vergleich zu den versprochenen Renten schon vorher zu tief waren, dass also die laufenden Renten nicht genügend finanziert sind.
Geschäftsführer Egger muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Situation schöngeredet zu haben. «Die Stiftung ist auf gutem Weg, bietet unverändert überdurchschnittlich gute Leistungen an und steht finanziell auf solidem Boden», schrieb er im Geschäftsbericht 2010. «Schönfärberei? Nein, sicher nicht! Mit diesem Optimismus wollen wir die anstehenden Probleme lösen und die neuen Herausforderungen annehmen.» Eine fatale Fehleinschätzung, wie sich jetzt zeigt. Auf 2013 wurden dann neue Massnahmen beschlossen, die schon eher Wirkung zeigen müssten: die Erhöhung des statutarischen Rücktrittsalters von 63 auf 65 Jahre und die Senkung des Rentensatzes von 63 auf 60 Prozent.
Zu optimistische Prognosen
Erstens kamen diese überfälligen Massnahmen reichlich spät, zweitens wird damit die Unterdeckung nicht behoben. Denn die Kasse rechnete noch bis Ende 2013 mit einem technischen Zins von 4 Prozent. Dieser Zins spiegelt die erwartete Rendite. Doch weil die Kasse in einer Unterdeckung steckt, müssten Jahr für Jahr noch höhere Renditen erwirtschaftet werden, allein um zu verhindern, dass der Deckungsgrad weiter sinkt. Was folgt, ist bekannt: Der Kasse fehlten Ende 2013 rund 36 Millionen Franken. Im vergangenen April verlangte die Stiftungsaufsicht von der PVS BIO einen Bericht. Darin soll der Pensionskassenexperte aufzeigen, wie die Kasse fristgerecht einen Deckungsgrad von 100 Prozent erreichen will. Fristgerecht heisst innert zehn Jahren seit dem Absturz von 2008. Somit verbleiben der PVS BIO gerade noch vier Jahre, um die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zu erfüllen.