Paar-Beratungsstelle Konolfingen: "Auch eine Beziehung braucht mal einen Ölwechsel"
In Konolfingen gibt es neu eine Beratungsstelle für Paare und Familien. Der Paar- und Familientherapeut Andreas Lüdi bietet dort Beratungen an. Im Interview erzählt er, warum Paare zu ihm kommen und wie man eine Beziehung erfolgreich am Laufen hält.
BERN-OST: Herr Lüdi, warum kommen Paare zu Ihnen in die Beratung?
Andreas Lüdi: "Es kommen Paare, bei denen es einen bestimmten Auslöser gibt. Es kann sein, dass sie einen Streit hatten, der eskaliert ist. Oft kommen Paare, nachdem Kinder auf die Welt gekommen sind. Das ist für Familien eine herausfordernde Zeit. Man ist schneller ungeduldig.
Manchmal kommen Paare auch, wenn die Kleinkindphase vorbei ist, und sich ein Paar fragt: Wo stehen wir jetzt? Lieben wir uns noch? Oder sind wir jetzt nur noch ein Elternteam, welches für die Kinder schaut? Oder auch wenn die Jugendlichen ausziehen, eine neue Situation entsteht und sich die Eltern fragen: Wie geht es weiter?"
Also kommen viele Paare, wenn sich in der Familie etwas verändert?
"Das ist häufig ein Grund. Es gibt auch Paare, die nach der Pensionierung kommen. Weil sie plötzlich viel Zeit zusammen verbringen und weil der Mann die ganze Zeit zu Hause ist. Das ist eine neue Herausforderung für eine Beziehung."
Gibt es ein Patentrezept für eine Beziehung?
"Nein, das gibt es nicht. Ich versuche, mich auf die Menschen zu beziehen und mit ihnen zusammen eine Lösung zu erarbeiten. Ein wichtiger Leitsatz lautet: Leben ist gestaltbar. Im Sinne von: Es gibt zig Möglichkeiten.
Die Leute müssen bereit sein, mitzuarbeiten. Mit den Leuten geht alles. Aber ohne die beiden geht nichts. Wenn sie motiviert sind, dann geht es. Es braucht immer zwei, um eine Beziehung zu führen, aber auch zwei, um eine Beziehung zu beenden."
Gibt es einen Punkt, an dem Sie sagen, für diese Beziehung sehe ich keine Rettung mehr?
"Ich erkläre nie eine Beziehung für tot. Aber es gibt schon Sachen, die nicht gehen. Gewalt ist nie gut. Das schädigt Personen und Beziehungen. Bei Gewalt ist das Ziel immer, nicht die Person zu verurteilen, aber das gewalttätige Verhalten."
Kommt es oft zu Gewalt?
"Jein. Es ist ein Thema. Wenn ich drei Paare nacheinander betreue, bei denen Gewalt ein Thema ist. Dann hat man das Gefühl, Gewalt nehme zu."
Kam es durch den Lockdown zu mehr häuslicher Gewalt?
"Ich glaube schon, dass Gewalt in Familien während Corona zugenommen hat. Es gibt aber auch Familien, die durch den Lockdown zusammengerückt sind und sich neu entdeckt haben. Das ist jedoch nicht messbar, weil sich diese kaum melden."
Was passiert, wenn jemand einen Seitensprung macht?
"Fremdgehen zerstört Vertrauen und zwar nachhaltig. Affären haben eine enorme Sprengkraft. Viele stellen danach die gemeinsame Beziehung in Frage, im Sinn von: Lieben wir uns noch?"
Welchen Tipp geben Sie Paaren für eine glückliche Beziehung?
"Paare sollten wissen: Liebe ist ein Geschenk. Liebe ist kein Selbstläufer, das heisst, man muss daran arbeiten. Es ist nicht selbstverständlich, dass man sich bis 80 liebt. Ein Auto bringt man einmal pro Jahr in den Service. Manchmal muss man in einer Beziehung etwas justieren. Ohne Öl gibt es Reibung. Man muss die Reibungsflächen anschauen, einander mitteilen, wie man sich fühlt. Kleine alltägliche Aufmerksamkeiten beleben eine Beziehung."
Was kostet eine Beratung?
"Das richtet sich nach dem Einkommen der Klient*innen. Wir werden von den reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und vom Kanton Bern finanziell unterstützt. Bei einem Nettoverdienst von 5'000 bis 6'000 Franken kostet eine Beratungsstunde 40 bis 80 Franken."