Ortsbus Münsingen: Die Not mit der Notdurft
Der Dienst am Sonntagmorgen ist für die Chauffeure beim Ortsbus Münsingen kein Schleck. Vier Stunden finden sie kaum Zeit für die Toilette. Wenn es denn eine hätte: Die Anlage in der nahen Migros hat zu, jene im Bahnhof kostet - sofern sie überhaupt funktioniert.
Wenn sie mal müssen, haben sie ein Problem. Zumindest am Sonntagmorgen: Vier Stunden sitzen dann im Ortsbus Münsingen die Chauffeure ununterbrochen am Steuer und finden kaum Zeit für den Gang zur Toilette. Besonders prekär ist es in den Sommermonaten, wenn sie auf Verlangen noch die Zusatzschlaufe zur Badi fahren. Dann sind die paar Minuten Standzeit, die am Bahnhof bis zum nächsten Kurs blieben, von vornherein futsch.
Und wenn doch mal Zeit bleiben würde? Dann stünden die Chauffeure vor dem Problem, dass sie gar nicht einfach so austreten können. Eine Toilette in praktischer Fussdistanz? Fehlanzeige. Zwar geschäftet im Bahnhofgebäude ein Avec-Shop, doch auf dessen Personal-WC sind die Buschauffeure nicht willkommen. Auf der öffentlichen Anlage im Bahnhof wird Mal für Mal ein Einfränkler fällig. Und der nahe Migros-Markt, auf den die Chauffeure sonst ausweichen können, ist sonntags geschlossen.
Mit ihrem Problem stehen die Münsinger nicht allein da. So schreibt die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV, dass das Thema unter den Mitgliedern «sehr aktuell» sei. Eigentlich, führt Sprecher Markus Fischer aus, sollten die Chauffeure an den Endhaltestellen immer fünf bis zehn Minuten Zeit zum Durchschnaufen oder eben auch für den Gang zur Toilette haben.
Zunehmend sei aber das Gegenteil der Fall. In Zeiten, in denen Fahrpläne wie Verkehr immer dichter würden, nehme der Druck auf das Fahrpersonal stetig zu. Und ja, Toiletten stünden längst nicht überall zur Verfügung. Just in den letzten Tagen habe man dieses Thema mit den Verantwortlichen von Postauto in der Region Yverdon-les-Bains bereden müssen.
Für den Ortsbus Münsingen ist ebenfalls Postauto verantwortlich. Sprecherin Katharina Merkle sagt offen, «dass es dieses Problem gibt» und man deshalb auch schon vor Ort Gespräche geführt habe.
Postauto liege generell sehr viel daran, dass das Fahrpersonal «sehr regelmässig die Toilette aufsuchen» könne. Wo die eigene Anlage fehle, suche man die Partnerschaft mit Restaurants und Läden, allenfalls baue man gar ein eigenes WC-Häuschen. Ähnliches geben Rolf Meyer für Bernmobil und Fabienne Thommen für den Regionalverkehr Bern-Solothurn zu Protokoll. Beide betonen mit Nachdruck, dass eine Toilettenpause der Pünktlichkeit im Fahrplan vorgeht. Denn, so Meyer: «Wenn sich der Fahrer oder die Fahrerin nicht wohlfühlt, leidet rasch die Konzentration und damit die Sicherheit beim Fahren.»
Diesem Grundsatz lebte auch in Münsingen unlängst ein Chauffeur nach. Gezwungenermassen, denn irgendwann merkte er, dass sich der Drang nicht mehr unterdrücken liess. Dummerweise streikte an diesem Sonntagmorgen auch der Türmechanismus zur Bahnhoftoilette, sodass er sich vor Ort auch nicht für einen Einfränkler erleichtern konnte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ausser Plan zur Bushalle in Wichtrach zurückzufahren – und einen Ortsbuskurs ausfallen zu lassen.