Oberthal - Rezepte aus alten Zeiten

Lehrerin Elisabeth Schmocker ist im Besitz der 100-jährigen Kochbücher ihrer Grossmütter. Für Weihnachten kocht sie Speisen daraus nach.

Laura Fehlmann / Berner Zeitung BZ

Auf dem Küchentisch liegt dünn ausgewallte Quittenpaste. Elisabeth Schmocker schneidet die traditionsreiche Süssigkeit in Quadrate. Daneben liegen zwei alte Bücher. «550 Kochrezepte von Frau Pfr. Gschwind» heisst das ältere von 1909, das die Lehrerin aus Oberthal kürzlich von ihrer Mutter geerbt hat. Diese hatte es von ihrer eigenen Mutter Mina Leu, ebenfalls eine Lehrerin.

 

Salat und gekochtes Fallobst


Elisabeth Schmocker erinnert sich nur noch schwach an ihre Grossmutter, die 1889 geboren ist, Zusammen mit ihrem Ehemann unterrichtete sie im Schulhaus Häleschwand bei Signau. «Die Grossmutter hatte immer Hausmädchen und kochte vermutlich selten selber», erzählt Elisabeth Schmocker. Allerdings habe sie sich für gesunde Ernährung eingesetzt. Die Hausmädchen mussten Salat zubereiten, was kaum üblich war. Weggeworfen wurde nichts. Ein «Öpfu-Schüsseli» wurde nie leer. Es war immer voll gekochten Fallobsts. Kinder, die einen weiten Schulweg hatten, verköstigte die Lehrerin über Mittag mit einer Suppe. Am Handarbeitsexamen, wo die Strick- und Näharbeiten der Schülerinnen ausgestellt wurden, bewirtete Mina Leu die Besucherinnen mit Hamme und Züpfe.

 

Ungenaue Angaben


Elisabeth Schmocker hat vor, an Weihnachten Rezepte aus Mina Leus Kochbuch nachzukochen. Das Menu legte sie bereits fest: Spinatsuppe, Suure Mocke mit Milchkartoffeln und zum Dessert eine Weisswein-Sabayon. «Ich freue mich, diese Rezepte auszuprobieren.» Sie sind weder in Bezug auf die Mengenangaben noch der Zubereitungsart mit der heute üblichen Präzision beschrieben. Für die Spinatsuppe braucht es «zwei Hände voll Spinat mit beliebigem Grün, fein gehackt». Wieviel Wasser oder Brühe beigegeben werden muss, geht aus dem Rezept nicht hervor. Auch nicht, über wieviel Eigelbe und Rahm die Suppe angerichtet wird. «Das muss man eben ausprobieren», schmunzelt Elisabeth Schmocker. «550 Kochrezepte von Frau Pfr. Gschwind» zeigt sichtbare Gebrauchsspuren. Vor allem die Seiten mit den Guezlirezepten zieren zahlreiche Fettflecken. «Das Buch wurde offenbar intensiv gebraucht», stellt Elisabeth Schmocker fest. In besserem Zustand ist das Kochbuch von 1922 «Das fleissige Hausmütterchen». Es gehörte Flora Wyss, Schmockers Grossmutter väterlicherseits. Die früh verwitwete Frau hatte wohl noch weniger Zeit zum Kochen. «Sie besass eine Hermes-Baby und war meist unterwegs als Stör-Schreiberin», erzählt die Enkelin. Der Inhalt dieses Buches geht weit über die Kocherei hinaus. Es leitet zusätzlich an zu Hühner- und Kaninchenzucht. Offenbar zogen damals die fleissigen Hausmütterchen das Fleisch für ihre Töpfe selber heran.


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Erstellt: 24.12.2012
Geändert: 24.12.2012
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