Oberthal - Es geht auch ohne Bus
Seit letztem Sommer gibt es in der Gemeinde keinen öffentlichen Verkehr mehr. Die Einwohner reagierten unterschiedlich. Die älteren organisierten sich, die jüngeren nehmen das Velo oder das Auto, und einer geht zu Fuss.
Vom Restaurant Eintracht in Oberthal, wo früher eine Bushaltestelle stand, bis zum Weiler Hargarten sind es gut zehn Minuten Fahrzeit mit dem Auto. Die rund drei Kilometer lange Strasse schlängelt sich die Hügel hinauf. Angekommen im Weiler, führt eine schmale und beängstigend steile, ungemachte Strasse wieder hinunter, etwa dreihundert Meter. Dort wohnt Bruno Käsermann. Da der 75-Jährige aus finanziellen Gründen kein eigenes Auto besitzt, hat er regelmässig den Bus genommen − etwa um in Grosshöchstetten seine Einkäufe zu tätigen. Von seinem Haus bis zur Haltestelle bei der Käserei benötigte er zu Fuss gut 15 Minuten.
Seit letztem Sommer muss er nun fast eine Stunde Fussmarsch auf sich nehmen, um zur nächsten Bushaltestelle zu gelangen. Diese befindet sich bei der Matte in der Gemeinde Arni, zwei Kilometer Luftlinie von Käsermanns Haus entfernt. Denn die elf Buspaare, die zwischen Oberthal, Zäziwil und Grosshöchstetten verkehrten, gibt es seit Ende Juli 2014 nicht mehr. Sie fielen dem kantonalen Sparprogramm zum Opfer.
Er geht mal Zigaretten holen
Aber der pensionierte Werbetexter wusste sich zu helfen. «Die Einkäufe mache ich jetzt online und lasse sie mir von der Post bringen», sagt er. Wenn Bruno Käsermann aber doch einmal selber einkaufen geht, weil er etwa Schreibwaren oder Tabak besorgen will, plant er meist gleich einen Ausflug mit ein. Dann geht er seine Freunde in Zürich besuchen oder reist nach Steffisburg zu seiner Freundin. Für ihn, der als Pensionär viel Zeit habe, bedeute die Abschaffung des Busses keine grössere Einschränkung.
Acht Fahrten pro Tag
Aber nicht alle können den Wegfall des öffentlichen Verkehrs so gelassen nehmen. Zum Beispiel Kurt Boss, der im Weiler Alterswil wohnt und in Worb arbeitet. Von seinem Zuhause bis nach Zäziwil dauert es zu Fuss gut 30 Minuten. Für ihn sei es schwierig, sich mit anderen Oberthalern zu organisieren, sagt der Vater von zwei Kindern, denn er leide an Autismus.
Seit es keinen Bus mehr gibt, fährt ihn seine Frau jeweils nach Zäziwil an den Bahnhof. Auch sein 22-jähriger Sohn sei auf die Fahrdienste der Mutter angewiesen, «das sind je nach dem acht Fahrten pro Tag», sagt er. Vor der Abschaffung der Linie hat Kurt Boss morgens und abends den Bus genommen. Während der Stosszeiten seien sie zwischen fünf und zehn Passagiere gewesen. Der 45-Jährige bedauert den Wegfall.
Er nimmt jetzt das E-Bike
Ebenfalls in Alterswil wohnt Peter Blaser. Der 28-Jährige hat bis letzten Sommer täglich den Bus genommen. Für seinen Job in Niederwangen, wo er als Konstrukteur arbeitet, musste er jeweils schon früh raus. «Der erste Bus fuhr um 6 Uhr, da war ich fast immer alleine», sagt er. Auch abends um 17.40 Uhr seien es höchstens eine Handvoll Passagiere gewesen.
«Auf das absehbare Ende des ÖV hin habe ich mir ein E-Bike gekauft», sagt Blaser. Inzwischen könne er gut ohne Bus leben. Ihm sei auch schon von Mitbürgern angeboten worden, im Auto mitzufahren, aber er habe sich ans Velo gewöhnt − auch bei Wind und Wetter.
Ältere wissen sich zu helfen
Auf den Wegfall des ÖV habe es damals nur wenige Reaktionen aus der Bevölkerung gegeben, sagt Gemeinderätin Therese Wüthrich (parteilos). Einige jüngere Einwohner hätten sich vor allem wegen der älteren Sorgen gemacht. «Aber gerade die Oberthaler im Seniorenalter haben sich schnell zu helfen gewusst», sagt Wüthrich. Sie hätten selbstständig Fahrdienste für etwa das Altersturnen oder andere Tätigkeiten organisiert. Und auch der Rotkreuz-Fahrdienst werde wenn nötig genutzt.
Die Jüngeren hingegen hätten offenbar mehr Hemmungen, sich im Dorf nach Mitfahrgelegenheiten umzuhören und sich selber zu organisieren, findet Wüthrich. «Die meisten fahren jetzt alleine mit dem eigenen Auto.» Und wer bisher noch nicht Autofahren konnte, lerne das jetzt.