Oberthal - Andreas Steiner führt seine Gemeinde von der Alp aus

Der Biobauer Andreas Steiner präsidiert die Gemeinde Oberthal. Im Sommer ist er Land- und Gastwirt im Kiental. Eine Reportage von der Alp.

Laura Fehlmann, Berner Zeitung BZ

Der Hahn krähte schon vor sechs Uhr früh. Wenig später öffnet Bauer Andreas Steiner die Stalltüren für Kühe, Hühner, Schweine und Kaninchen. Tochter Christina (28) holt die Kühe von der Weide, dann feuert sie unter dem kupfernen Käsekessi an. Gegen sieben Uhr hat Steiner alle im Stall angebunden. Ehefrau Ruth Steiner beginnt zu melken. So beginnt von Juni bis Mitte September der Tag auf der Bundalp im Kiental. Vor 16 Jahren kaufte die Familie Steiner die Stall- und Wohngebäude. Das Land gehört der Alpkooperation Bundalp in Reichenbach. Seit 1996 sind Steiners hier nicht nur Älpler, sondern auch Gastwirte. Sie haben 100 Schlafplätze für Touristen und ein Restaurant. In dem kocht und serviert Tochter Susanne (25). Wie ihre Schwester ist sie Meisterlandwirtin. Was am Alpsommer 2012 anders ist: Andreas Steiner präsidiert die Emmentaler Gemeinde Oberthal. Deshalb nimmt er ein- bis mehrmals die 65 Kilometer von der Bundalp nach Oberthal unter die Räder. «Das ist schon eine zusätzliche Belastung», sagt er. Andernteils seien in diesem Sommer eindeutig weniger Touristen als sonst eingekehrt. «Die Wirtschaftskrise ist spürbar.»

Kurzfristig angefragt

Steiners Geheimnis, locker zwischen den zwei Orten hin- und herzureisen und den verschiedenen Aufgaben gerecht zu werden, ist eine gute Organisation. Zudem hat Vize Michael Röthlisberger öfter für ihn repräsentiert. «Auch die anderen Räte sind zum Glück oft eingesprungen», sagt Steiner und gesteht: «Ich wäre über eine Nichtwahl nicht böse gewesen.» Im Dezember 2011 wählte die Gemeindeversammlung den 54-jährigen Biobauern, der nur wenige Tage vorher angefragt worden war. «Nach Rücksprache mit der Familie stellte ich mich zur Verfügung, obwohl ein anderer Kandidat vorhanden war.» Nach seiner überraschenden Wahl sagte Steiner an der Gemeindeversammlung: «Ihr wisst, wie die Situation ist. Im Sommer sind wir auf der Bundalp.»

Im Notfall gut vertreten

Als Quereinsteiger habe er anfangs nicht einmal gewusst, wie man eine Gemeinderatssitzung leitet, erzählt Andreas Steiner, während er vor dem Stall den Kuhmist zusammenkehrt. Danach geht er in den Keller, wo er einen Käselaib nach dem andern mit Salzlauge abreibt. Er erzählt vom einzigen Notfall, der in diesem Sommer eingetreten ist: «Es gab einen Polizeieinsatz wegen Nichteinhalten von Vorschriften in der Landwirtschaft.» Die Polizei sei auf der Verwaltung erschienen und habe die Unterstützung der Behörde verlangt. «Ich war auf der Alp. Aber eine Ratskollegin hat mich gut vertreten.» Für Steiner ist klar: Das politische Amt und der Alpsommer lassen sich nur miteinander vereinbaren, weil Oberthal mit 800 Einwohnern so klein ist.

Gemeinsame halbe Stunde

Die Kühe sind gemolken. Die Milch vom Vorabend und vom Morgen ist eingelabt, Zeit für das gemeinsame Frühstück der Familie. Zum Brot aus der Bäckerei gibt es Käse, Butter und Konfitüre – alles selbst gemacht. Nach einer halben Stunde wird weitergearbeitet: in der Käserei, in der Küche, im Haus. Unter den wachsamen Augen des Hahns nehmen die Hühner ein Staubbad. Die Kühe ruhen, bis sie abends auf die Weide gehen. Touristen, die über das Hohtürli nach Kandersteg wandern, kehren zum Kaffee ein. Und Andreas Steiner wird diese Woche schon zum vierten Mal zu einer Sitzung nach Oberthal fahren.

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Erstellt: 05.09.2012
Geändert: 05.09.2012
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