Oberhünigen - Ein neues Haus für die Brüder

Der Evangelische Brüderverein hat in Oberhünigen ein neues Vereinshaus gebaut. Die Freikirche ist eine der vielen christlichen Glaubensgemeinschaften im Verteilgebiet der «Wochen-Zeitung».

Jakob Hofstetter, Wochen-Zeitung
Alt und renovationsbedürftig war das Vereinshaus in Oberhünigen und der Platz eng, wenn um die 200 Männer, Frauen und Kinder des Evangelischen Brüdervereins (EBV) gemeinsam dem Wort Gottes lauschten. Dieses Wochenende weiht die Freikirche nun ihr neues, helleres und grösseres Vereinshaus ein. «Wenn wir die Trennwände zurückschieben, finden 300 Personen Platz», sagt Beat Keller aus Freimettigen. Er gehört der Leitung an, ist einer der «Ältesten». Neben den sonntäglichen Gottesdiensten und Sonntagsschulen will der EBV in Zukunft auch vermehrt Tagungen und Jugendlager der Brüdervereinsgemeinden aus der ganzen Schweiz durchführen. Eine moderne Küche sowie Schlaf- und Aufenthaltsräume im Untergeschoss ermöglichen dies. Auch eine Wohnung für die Hauseltern wurde eingebaut.

Der EBV in Oberhünigen ist nicht ein selbständiger Verein, sondern einer von vielen Versammlungsorten des schweizweiten Vereins. Zu diesem zählen sich 5000 bis 10’000 Personen. Genau wisse man dies nicht, weil keine Mitgliederlisten geführt würden, sagt Beat Keller. Obwohl sich die Freikirche Brüderverein nennt, gehören ihr auch Frauen an.

Keine Schulden machen

Die EBV-Leute aus Oberhünigen und Umgebung bauen nicht in Eigenregie, sondern unter der Leitung der Gesamtgemeinde und mit dem Geld aus der Zentralkasse. Etwa 2,5 Millionen Franken koste der Neubau brutto. Viele Arbeiten hätten die Mitglieder aber in Eigenleistung ausgeführt, was zu einem deutlich tieferen Preis führe.

«Bevor die Leitung jeweils grünes Licht für einen Bau oder sonstige Investitionen gibt, muss das Geld beisammen sein», sagt Rudolf Geissbühler, vollamtlicher Evangeliumsverkündiger und Seelsorger beim EBV. Dieser Grundsatz habe ihnen ihr Gründer, Fritz Berger, mitgegeben. Der Wagner und Kleinbauer aus dem Heimisbach hatte Alkoholprobleme und war selber verschuldet gewesen – bevor er sich 1899 zu Gott bekehrte. Das Geld für den Bau und auch für sämtliche andere Auslagen würde durch die freiwillige Kollekte zusammengetragen. Ein Mitgliederbeitrag oder sonst eine finanzielle Verpflichtung bestehe nicht, «obschon jeder von uns weiss, dass es Segen bringt, wenn man das Geld für die Sache Gottes einsetzt», so Rudolf Geissbühler.

Alle sollens hören

Lieber als über das Geld sprechen die Brüder über ihr zentrales Anliegen: Sie haben den Wunsch, dass in ihrem neuen Gotteshaus viele Menschen das Evangelium hören und Gott begegnen können. So soll das Gebäude nach dem Tag der offenen Tür nicht wieder geschlossen werden. «Alle unsere Anlässe sind öffentlich.»

Für ihr neues Lokal hätten sie Standorte in Konolfingen geprüft, «weil wir im Zentrum vielleicht mehr Leute erreichen könnten», begründet Beat Keller diese Überlegung. «Es öffnete sich aber keine Türe».

Äussere Formen, innere Werte

«Wir wollen verkündigen, dass es eine lebendige Hoffnung und Erlösung von den Sünden gibt», erläutert Prediger Geissbühler. Dabei würden sie sich ganz und gar auf die Bibel berufen, diese als Gottes Wort hochhalten. Andere Glaubensgemeinschaften würden dies zwar auch tun, räumt er ein. Aber die verschiedenen Kirchen und Freikirchen seien historisch gewachsen und so gebe es Unterschiede. Äusserlich gesehen halte der EBV eher an alten Formen fest. «Auch wir müssen uns immer wieder fragen, was in unserer Zeit richtig ist. Wichtig ist uns, dass Christus stets im Zentrum steht und wir seinen Willen tun», ergänzt Beat Keller.

Dieses Wochenende weiht der Brüderverein sein neuen Haus mit verschiedenen Programmpunkten ein.
Samstag, von 10 bis 16 Uhr: Tag der offenen Tür. 20 Uhr: Konzert mit dem «ensemble animato» (Gesang und Instrumentalmusik mit Werken von Mendelssohn, Elgar, und Corelli).
Sonntag, 10 Uhr und 13.30 Uhr: Einweihungsfeier.

Kleine Gemeinschaften legen zu

Denen auch der Evangelische Brüderverein zählt, können ihre Mitgliederzahlen erhöhen, während die Landeskirchen weiterhin unter Mitgliederschwund leiden. Dies geht aus einer Studie hervor, die das Bundesamt für Statistik in Auftrag gegeben hat. Die Zahlen stützen sich auf die Volkszählung 2000.

Im Gebiet der «Wochen-Zeitung» gibt es viele dieser kleinen Religionsgemeinschaften, die meisten auf christlicher Basis. Die älteste ist wohl die Mennoniten-Gemeinde, auch Alttäufer genannt. Sie entstand in der Reformationszeit. Die Täufer wurden lange Zeit als Staatsfeinde betrachtet und verfolgt, weil sie ihre Kinder nicht in die Kirche zur Taufe brachten, und weil sie sich weigerten, Militärdienst zu leisten.

Erweckliche Zeiten

Viele Gruppierungen sind, so wie der Brüderverein, im 19. Jahrhundert entstanden. In dieser Zeit wurde ganz Europa von einer «Erweckungsbewegung» erfasst, welche die Bekehrung des Einzelnen und die praktische christliche Lebensweise in den Vordergrund stellte. Beispielsweise die Freie Evangelischen Gemeinde und die Heilsarmee wurden in dieser Zeit gegründet. Letztere hat ihren Ursprung in England. Engagierte Christen sahen das durch die industrielle Revolution hervorgerufene Elend wollten den von Not und Laster geplagten Menschen sowohl materiell als auch seelisch helfen. In die Schweiz kam die Heilsarmee 1882, wo sie zuerst auf Widerstand stiess und in einigen Kantonen verboten war. Erst später erntete sie Anerkennung in der Bevölkerung.

Wider den Liberalismus

1831 gründeten etwa 50 Männer im Kanton Bern die Evangelische Gesellschaft. «Die Gründung war eine Reaktion auf den aufkommenden Liberalismus, der auch im Kanton Bern um sich griff (Liberalismus = Leugnung von Kreuz, Auferstehung und Wiederkunft Christi)», schreibt das Evangelische Gemeinschaftswerk auf seiner Homepage. Erklärtes Ziel der Gründer war, innerhalb der «geliebten Berner Kirche» zu bleiben. 1908 kam es zur Abspaltung und Gründung der Landeskirchlichen Gemeinschaft. Seit 1996 sind die beiden Glaubensgemeinschaften wieder vereint im Evangelischen Gemeinschaftswerk. Dies ist ein eigenständiger Verein innerhalb der Reformierten Landeskirche.

Die Evangelisch-methodistische Kirche gibt es in der Schweiz seit 1856. Entstanden ist sie in England bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Ebenfalls die Evangelischen Täufergemeinden sind im «WZ»-Gebiet vertreten. Die Gründung der «Neutäufer» geht auf das Jahr 1832 zurück. Die Gemeinde nahm dann zwei verschiedene Richtungen. Während die eine Gruppe (heute auf dem Gibel oberhalb Langnau) sich heute nicht von anderen evangelischen Freikirchen unterscheidet, ging die andere Gruppe eigene Wege. Sie legte die Bibel «nach dem Buchstaben» aus und wollte auch eine deutliche Abgrenzung von der «Welt», was sich auch in der äusseren Erscheinung zeigt. Zur Trennung soll schliesslich geführt haben, dass die strengere Gruppe das Tragen eines Schnurrbartes als Sünde verurteilt habe, steht im Religionsführer von Claude-Alain Humbert.

Gemeinschaften neueren Datums

Erst im 20. Jahrhundert entstanden ist die Gemeinde für Urchristentum, die sich heute «BewegungPlus» nennt. Sie steht der pfingstlich-charismatischen Bewegungen nahe. Weiter gibt es die Freie Missionsgemeinde. Diese existiert erst seit 1967 und ist eine Abspaltung des Brüdervereins. «Viele Mitglieder waren mit einzelnen Lehrpunkten und vor allem mit der Praxis des Evangelischen Brüderververeins nicht mehr einverstanden, begründet die Freie Missionsgemeinde ihre Entstehung.

Daneben gibt es immer wieder neue, kleine Gemeinden, die ähnliche Inhalte predigen, beispielsweise die Neue Gemeinde Biglen. Das Selbstverständnis der aufgeführten christlichen Gemeinschaften ist ähnlich. Sie alle wissen sich der Bibel verpflichtet und betrachten die Bekehrung als wichtig. Quelle: www.freikirchen.ch

www.wochen-zeitung.ch
www.oberhuenigen.ch

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Erstellt: 13.01.2005
Geändert: 25.01.2005
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