Oberdiessbach - Nach der Wahl ist vor der Wahl

Hans Rudolf Vogt bleibt Oberdiessbacher Gemeindepräsident. Ob seine zweite Amtszeit 12 Monate oder 4 Jahre dauert, hängt vom Entscheid über die Fusion mit Aeschlen ab.

Matthias Engel, Berner Landbote
Aussenstehende könnten den Eindruck erhalten, dass die Oberdiessbacher Stimmberechtigten unzufrieden mit ihren Gemeindepolitikern sind. Bei den Gemeindewahlen vom 28. September wurde mit der FDP-Politikerin Lilian Gerber eine amtierende Gemeinderätin nicht wiedergewählt. Und sollte es im nächsten Herbst zu Neuwahlen kommen, droht erneut der unfreiwillige Abgang einer der aktuellen Gemeinderäte.

Der Oberdiessbacher Gemeindepräsident, der selber in stiller Wahl für eine zweite Amtszeit bestätigt wurde und mit dem besten Resultat die Hürde Gemeinderatswahl problemlos schaffte, erklärt die Ausgangslage vor der Wahl. «Ich denke nicht, dass Unzufriedenheit, sondern die zusätzlichen Wahllisten das Stimmenverhältnis beeinflusst haben. Mit SP und EVP traten dieses Jahr, nebst SVP und FDP, zwei weitere Parteien zur Wahl an, die vor vier Jahren keine Kandidaten stellten», so Hans Rudolf Vogt. Da die SP bei den Grossrats- und Nationalratswahlen in Oberdiessbach jeweils respektabel abgeschnitten hatte, konnte von einem SP-Sitzgewinn ausgegangen werden. Das Potenzial der, erst vor rund einem Jahr gegründeten, EVP war dagegen nicht abschätzbar. Da die FDP mit vier, und die SVP mit zwei Bisherigen zur Wahl antraten - SVP-Gemeinderätin Käthi Hofer verzichtete auf eine erneute Kandidatur - lag die Möglichkeit einer Abwahl in der Luft. Und tatsächlich: SP und EVP gewannen zu Lasten von FDP und SVP je einen Sitz, womit bei der FDP ein bisheriges Gemeinderatsmitglied nicht wiedergewählt wurde.

Getroffen hat es, wegen dem FDP-Sitzverlust, Lilian Gerber, was Gemeindepräsident Hans Rudolf Vogt bedauert. «Persönlich bin ich zufrieden mit meinem guten Ergebnis, über das FDP-Resultat bin ich jedoch natürlich enttäuscht. Ausserdem ist es schade, dass keine Frauen mehr im Gemeinderat sind», so die Bilanz des neuen alten Gemeindepräsidenten. Er glaubt aber nicht, dass die neue Sitzverteilung im Oberdiessbacher Gemeinderat zu einer neuen Gemeindepolitik führen wird. «Alle Mitglieder werden mitreden und mitdiskutieren, aber grundsätzlich geht es im Gemeinderat um Sachgeschäfte und nicht um Parteipolitik.»

Ortsplanung und Leitbild

In den kommenden Monaten steht einerseits der Abschluss der Ortsplanungsrevision im Mittelpunkt. Noch in diesem Jahr soll die öffentliche Mitwirkung stattfinden, die endgültige Fassung soll im Frühling oder Sommer 2006 dem Stimmbürger vorgelegt werden.

Andererseits drängt sich auch eine Überarbeitung des Leitbildes auf - doch hängt der Startpunkt dieses Unterfangens wie so vieles derzeit in der Oberdiessbacher Gemeindepolitik von der allfälligen Fusion mit Aeschlen ab.

Fusion auf 1.1.2007?

Gleich mehrmals wird die mögliche Fusion mit der kleinen Nachbargemeinde Aeschlen ein Thema an den Oberdiessbacher Gemeindeversammlungen sein. Im Dezember sollen die Bürger orientiert werden, welche finanziellen und organisatorischen Auswirkungen ein Zusammenschluss mit Aeschlen hätte. «In finanzieller Hinsicht wäre eine Fusion interessant. Es würden nämlich beide Gemeinden gewinnen», erklärt Hans Rudolf Vogt. Er verweist auf den Finanzplan 2006 - 2010, der derzeit in den Varianten «heutiges Oberdiessbach» und «fusionierte Gemeinde» erarbeitet wird.

Es ist dann aber an den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern beider Gemeinden, Vor- und Nachteile abzuwägen. Die Arbeitsgruppe wird ihren Bericht Ende November 2005 veröffentlichen. Falls die Gemeinderäte von Aeschlen und Oberdiessbach die Fusionsabsicht unterstützen, kann bereits im Juni 2006 abgestimmt werden - am gleichen Abend an den gleichzeitig angesetzten Gemeindeversammlungen von Oberdiessbach und Aeschlen. Wenn beide Gemeindeversammlungen zustimmen, könnte die Fusion frühestens auf 1. Januar 2007 umgesetzt werden.

Bei Fusion sofort Neuwahlen

Ein Ja zur Fusion würde die zweite Amtszeit von Hans Rudolf Vogt massiv verkürzen. So müssten erneut Gemeindewahlen in Oberdiessbach stattfinden - dieses Mal aber auch im künftigen Gemeindeteil Aeschlen. «Eine vorübergehende Zusammenlegung der beiden Gemeindegremien ist ebenso wenig denkbar wie eine Aufstockung von heute sieben auf neu neun Gemeinderäte. Möglich wäre, dass der Ortsteil Aeschlen für eine Legislatur einen Sitz im Gemeinderat garantiert hätte», so Hans Rudolf Vogt. Und so droht in wenigen Monaten erneut die Abwahl von einem oder gar zwei Gemeinderatsmitgliedern, falls dann alle Bisherigen antreten. «So oder so, die Bevölkerung von Aeschlen hat durchaus genug Stimmpotential, um mindestens einen Sitz im Gemeinderat zu gewinnen», ist sich der Gemeindepräsident sicher. Die Frage ist bloss, mit welcher Wahltaktik, gibt es doch bisher in Aeschlen keine Ortsparteien. Kandidaten aus dem heutigen Aeschlen auf den Listen der heutigen Oberdiessbacher Parteien hält Hans Rudolf Vogt ebenso für möglich wie eine reine Aeschlen-Liste. Bei einer allfälligen Gemeindewahl 2006 würde die Politiker-Stilblüte «Nach der Wahl ist vor der Wahl» in Oberdiessbach wirklich zutreffen.

Ein Artikel aus der
www.oberdiessbach.ch

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Erstellt: 18.10.2005
Geändert: 18.10.2005
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