Oberdiessbach - Der Patient soll entscheiden

Wenn alte Menschen liebevoll betreut ihrem Ende entgegen sehen könnten, brauche es keinen Suizid-Vertrag, sagte Marius Baeriswyl. Der Chefarzt fordert hingegen eine intensive Betreuung – auch mit dem Umfeld der Patienten.

Gertrud Lehmann, Wochen-Zeitung
Der Chefarzt des Pflegezentrums RSZ Oberdiessbach, Marius Baeriswyl, fordert in seinem Vortrag zur Ethik bei der Betreuung alter, pflegebedürftiger Menschen Qualitätsgrundsätze. Der Wille Pflegebedürftiger müsse über ihre Handlungsfähigkeit hinaus respektiert werden, dafür soll eine rechtzeitig ernannte Vertrauensperson sorgen.

Der Chefarzt des Pflegezentrums äusserte sich zu rechtlichen und moralischen Aspekten der Beihilfe zum Selbstmord. «Wenn Pflegebedürftige gut umsorgt sind», glaubt er, «können sie ruhig ihrem Ende entgegen sehen, ohne es durch Suizid frühzeitig herbeizuführen».

Kontinuierliche Betreuung

Zu einer guten Betreuung gehörten laut Baeriswyl unter anderem folgende Qualitätsgrundsätze: Bei der Pflege ist eine kontinuierliche, persönliche Arztbetreuung wünschenswert, ebenso ein gleichbleibender pflegerischer Ansprechpartner. Diese soll im Einverständnis mit dem Patienten Kontakt zu seinem sozialen Umfeld aufnehmen. Eine Dokumentation über Krankengeschichte, Pflege und therapeutische Prozesse muss angelegt werden, in die der Patient jederzeit Einsicht erhalte. Die Zusammenarbeit zwischen Pflegenden, Therapeuten und Ärzten muss vertieft werden. Diese Personen sollten eine spezielle Fortbildung in Altenpflege absolviert haben.

Was geschieht bei Urteilsunfähigkeit?

In einer Patientenverfügung soll rechtzeitig festgehalten werden, ob der Patient im Falle einer Urteilsunfähigkeit lebenserhaltende Massnahmen wünsche. Eine Vertrauensperson, die nicht einem gesetzlichen Vertreter zu entsprechen brauche, soll im Beisein eines Zeugen bestimmt werden. Diese sollte den Wünschen des Patienten entsprechend Weisungen erteilen, wenn dieser es nicht mehr selber könne. Die Pflegebedürftigen seien rechtzeitig auf diese Massnahmen hinzuweisen. Freiheitsbeschränkende Massnahmen bedeuteten einen schweren Eingriff in die Grundrechte eines Patienten, und dürften nur bei schwerwiegender Gefährdung seiner Sicherheit, oder Beeinträchtigung Dritter angewendet werden.

Schmerzloses Ende

In der letzten Lebensphase hätten Sterbende Anrecht auf palliative Betreuung, und zwar in medizinischer, pflegerischer, psychischer, sozialer und seelsorgerischer Hinsicht. Schmerz und Leiden müssten verhindert werden, auch wenn die Mittel lebensverkürzende Wirkung hätten. Im Hinblick auf den Schiavo-Prozess in den USA erklärte Baeriswyl, dieser wäre in der Schweiz anders entschieden worden. Nur bei Sterbenden würden lebenserhaltende Massnahmen eingestellt, klinisch stabile Personen hingegen hätten Anrecht auf künstliche Ernährung.

Vorzeitige Erlösung

Private Beihilfe zum Selbstmord sei straflos, solange nicht selbstsüchtige Beweggründe vorlägen – nicht aber für Ärzte. Verlange ein Patient die Selbsttötung aufgrund schwerwiegender physischer oder psychischer Leiden, könnten ihm zwar Mittel verschafft werden, die er jedoch selber einnehmen müsse. Ein geplanter Suizid sei durch Gespräche, verbesserte Therapie und seelsorgerischen Beistand wenn möglich abzuwenden. Es müsste abgeklärt werden, ob der Sterbewillige urteilsfähig sei, und nicht auf äusseren Druck hin handle. Auf Gefühle von Pflegenden und Mitbewohnern sei Rücksicht zu nehmen, sie dürften sich nicht an der Aus-führung beteiligen. Im Pflegezentrum Oberdiessbach seien Suizidhelfer wie «Exit» und «Dignitas» nicht zugelassen. Das obwohl er wisse, dass die Zahlen der Verträge mit diesen Institutionen zunehme, was ihm Sorge bereite. In der anschliessenden Diskussion blieb Marius Baeriswyl dabei, dass Sterbende nicht «eingeschläfert» werden dürften. Mit dem Einsatz von Morphium wäre jedoch ein sanftes Hinübergleiten möglich.

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Erstellt: 07.04.2005
Geändert: 07.04.2005
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