Niederhünigen - "Manchmal führen kleinere Schritte rascher ans Ziel"

Martin Sigrist packt nach 40 Jahren Tätigkeit an der Primarschule seine Schulmappe. Ihm war es immer wichtig, den Schülern genug Zeit für ihre Entwicklung zu geben.

Veruschka Jonutis, Wochen-Zeitung
Als Martin Sigrist vor 40 Jahren seine erste Schulstunde in der Primarschule Niederhünigen antrat, hätte er nie gedacht, dass er 40 Jahre später immer noch hier sein würde. «Als ich vor meiner erste Schulklasse stand, war ich gerade 19 Jahre alt», erinnert sich der Lehrer. Für drei Monate unterrichtete er zu Beginn an einer Schule im Berner Oberland. Die Klasse war äusserst anspruchsvoll und der Einstieg ins Berufsleben gestaltete sich entsprechend schwierig. «Das hätte mir beinahe die Lust am Beruf verdorben. Die ersten Jahre sind wichtig. Trifft man als Neuling auf schwierige Verhältnisse, so kann das für die restliche Karriere prägend sein.» Zum Glück machte er in Niederhünigen von Anfang an gute Erfahrungen. Er übernahm die vierte, fünfte und sechste Klasse und in den folgenden 40 Jahren unterrichtete er  auf dieser Stufe.

Neue Anforderungen

Für Sigirst war es wichtig, keinen zu grossen Druck auf seine Schüler auszuüben. «Jedes Kind hat sein eigenes Lerntempo; oftmals führen kleine Schritte rascher ans Ziel. Als Lehrer hat man die Verantwortung, dies zu beobachten und zu fördern.» Nebst dem Schulstoff war es ihm ein Anliegen, in den Lektionen auch Freude zu vermitteln. In den vier Jahrzehnten hat sich einiges verändert. Der Druck, der auf dem Lehrpersonal laste, sei gestiegen. «Heute steht man häufiger im Kontakt mit den Eltern als früher. Es braucht viel Intuition und Einfühlungsvermögen, um immer wieder eine gemeinsame Ebene mit den Kindern und den Eltern zu finden.» Mit Weiterbildungen hat sich der vielseitige Primarlehrer auf dem Laufenden gehalten. Er habe immer versucht, nicht auf Altem zu verharren, sondern sich den neuen Anforderungen anzupassen. «Wer nicht offen ist, Neues dazu zu lernen, der kann in diesem Beruf nicht bestehen», ist er sich sicher. Es gibt kein Fach, das der engagierte Lehrer nicht unterrichtet hat. Besonders am Herzen lag ihm der Musikunterricht. «Oft begleitete ich Musikprojekte an unserer Schule mit der Gitarre.» Sigrist war 37 Jahre Klassenlehrer und trug viele Jahre die Hauptverantwortung für die Skilager.

Loslassen nach vier Jahrzenten

Mit dem Dorf, wo er seit Stellenantritt wohnt, ist Martin Sigrist auch heute noch stark verbunden. Für viele Niederhüniger war Sigrist ihr Lehrer, und später auch für deren Kinder. In einigen Familien kennt er bis zu vier Generationen. «Ich bin in der letzen Zeit müder geworden. Vieles im Schulbetrieb läuft zu schnell ab und ich habe das Gefühl, ich sei wie ein alter Pneu, der in den Kurven nicht mehr genug Halt findet», beschreibt der 59-Jährige. Es sei Zeit, loszulassen, was ihm nach 40 Jahren nicht leicht falle. «Gedanklich war ich immer bei der Schule.»

Nach seiner Pensionierung will Martin Sigrist mehr Zeit für seine Frau haben und seine guten Kontake pflegen. Als leidenschaftlicher Fotograf freut er sich, für die Gemeinde Niederhünigen alte Fotodokumente vom Dorf aufzuarbeiten. Der sportbegeisterte Martin Sigirst bestreitet seit 30 Jahren den Engadiner Skimarathon. «Dieser Marathon ist mit gut 42 Kilometern etwa gleich lang wie mein beruflicher. »

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Erstellt: 05.06.2014
Geändert: 05.06.2014
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