Niederhünigen - Die hölzige Erfolgsgeschichte der Iselis

Seit hundert Jahren gibt es in Niederhünigen die Schreinerei Iseli. Der Besitzer Walter Iseli hat viel Sinn für Traditionen; er kann sich aber durchaus auch für Modernes begeistern.

Andrea Renggli, Wochen-Zeitung
In der Werkstatt hört man Sägeblätter kreischen, Hobelspäne fliegen durch die Luft. Junge Männer in blauen Arbeitshosen hantieren an der Bandsäge. Auf dem Kopf tragen sie einen Ohrenschutz. Verständigung ist nur durch lautes Rufen möglich.

Im selben Haus wurde schon vor hundert Jahren Holz verarbeitet. Damals gehörte die Schreinerei Karl Iseli, dem Grossvater des heutigen Besitzers.
Walter Iseli erinnert sich noch an die Zeit, als sein Grossvater die Schreinerei führte. «Heute arbeitet man fast ausschliesslich mit Maschinen. Handfertigkeit ist zwar immer noch gefragt, allerdings nicht mehr so stark wie früher», erzählt er. Die allerneusten computergesteuerten Maschinen sucht man aber vergebens in seiner Werkstatt. Das sei eher etwas für Grossbetriebe.

Zeitreise zum Grossvater

«Ich würde gerne in die Zeit des Grossvaters zurückreisen und ihm in der Schreinerei helfen», schwärmt Walter Iseli. Dann könnte er zum Beispiel wieder mit dem sogenannten Lattenriss arbeiten. Das bedeutet, dass die Pläne, beispielsweise einer Türe, nicht auf Papier, sondern im Massstab eins zu eins auf ein Holzbrett gezeichnet werden. Heute ist diese Arbeitsweise veraltet, aber Walter Iseli will nicht nur darüber lachen: «Mit dem Lattenriss ist beim Sägen weniger schiefgelaufen», davon ist er überzeugt.

Nicht nur die Arbeitsmethoden, auch die Produkte haben sich geändert. «Als ich noch jünger war, habe ich sogar ganze Schlafzimmer gebaut. Einige davon sind übrigens heute noch in Betrieb», erzählt der Schreinermeister stolz. Heute stellt er nur selten Einzelmöbel her, weit häufiger erhält er Aufträge für den Innenausbau von Häusern.

Beim Studium der Dokumente seines Grossvaters hat Walter Iseli vieles entdeckt, das heute amüsant und erstaunlich scheint. Zum Beispiel, dass Karl Iseli in seinem ersten Jahr als Schreiner in Niederhünigen zwischen Juli und Dezember einen Umsatz von fünfhundert Franken erwirtschaftete. Oder dass viele Bauern ein Möbelstück in Auftrag gaben, und nicht mit Geld, sondern mit Holz oder anderen Naturalien bezahlten.

Chance für Kleinbetriebe

Walter Iseli besitzt zwar Kassenbücher von seinem Grossvater, in denen dieser fein säuberlich jede Einnahme eintrug. Doch der administrative Aufwand war vor hundert Jahren viel geringer als heute. Für Walter Iseli erledigt seine Frau Esther diese Arbeiten. Über ihre Hilfe ist er sehr froh, denn die Büroarbeit mag er überhaupt nicht.

Viel mehr am Herzen liegt ihm die kreative Seite an seinem Beruf. «Am liebsten entwerfe und zeichne ich ein spezielles Möbelstück oder eine Küche für einen Kunden. So entsteht etwas, das nicht jeder ‹ab der Stange› kaufen kann.» Seine Entwürfe seien recht modern, mitunter sogar «ziemlich wild».

Genau in solchen Arbeiten sieht Walter Iseli auch eine Chance für die Zukunft von kleinen Unternehmen. «Vor einigen Jahren dachte ich, es werde bald keine Kleinbetriebe mehr geben. Aber in letzter Zeit stelle ich fest, dass wieder mehr Kunden Spezialanfertigungen wünschen.» Auf solche Aufträge könne ein kleiner Betrieb wie die Schreinerei Iseli eingehen. Die massengefertigten Möbel würden weiterhin die Grossbetriebe herstellen.

Für junge Schreiner ist gesorgt

Vor hundert Jahren beschäftigte Karl Iseli Taglöhner, wenn er viel Arbeit hatte. «Mein Grossvater hatte zu gewissen Zeiten sogar mehr Angestellte als ich», schmunzelt Walter Iseli. In seinem Betrieb arbeiten zurzeit drei Mitarbeiter und ein Lehrling. Die Ausbildung von jungen Schreinern ist ihm wichtig: «Die Arbeit mit jungen Leuten macht mir Freude, es ist eine grosse Herausforderung.» Dank guten Beziehungen zur Lehrwerkstätte Bern, wo Walter Iseli selber seine Lehre absolvierte, beschäftigt er auch regelmässig Praktikanten von dieser Institution in seiner Schreinerei.

Walter und Esther Iseli würden sich freuen, wenn auch die vierte Generation den Betrieb weiterführen würde. Ganz unrealistisch scheint dieser Wunsch nicht zu sein: Immerhin hat einer der drei Söhne Schreiner gelernt und absolviert derzeit eine Holzfachschule.


Drei Lampen für ein ganzes Haus

Ein Kaufvertrag aus dem Jahr 1904 besagt, dass ein gewisser Karl Iseli in Niederhünigen «ein altes Wohnhaus mit Scheuerwerk, Stallung und Wagenschopf» erwarb. Karl Iseli war Landwirt und Schreiner. «Seine kleine Werkstatt hatte er wohl im Schopf eingerichtet», vermutet Walter Iseli. Erst zehn Jahre später wurde die Schreinerei vergrössert und bei der Gelegenheit auch mit elektrischen Lampen ausgestattet – drei an der Zahl.

Im Jahr 1942 übergab Karl Iseli den Betrieb seinen beiden Söhnen Werner und Paul. Sie gaben die Landwirtschaft auf, und konzentrierten sich fortan nur noch auf die Schreinerei. 1969 übernahm der heutige Besitzer Walter Iseli den Betrieb.

www.wochen-zeitung.ch
www.bern-ost.ch/iseli
www.niederhuenigen.ch

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Erstellt: 26.08.2004
Geändert: 26.08.2004
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