"Neue Lösung": Das dritte Gleis im Aaretal entfällt
Dank einer neuen Lösung kann auf ein drittes Gleis bis Münsingen verzichtet werden. Baudirektorin Barbara Egger spricht von einer Win-win-Situation.
Das Ziel, die Kapazität Richtung Münsingen und Berner Oberland zu erhöhen, wird anders erreicht: mit Entflechtungsbauwerken (siehe unten). Geplant sind zwei solche Bauwerke zwischen Bern-Wankdorf und Münsingen. Wie die bernische Baudirektorin Barbara Egger (SP) auf Anfrage sagte, bietet diese Lösung sogar mehr als ein drittes Gleis; und sie verbessere die Ausgangslage für den Vollausbau des Lötschberg-Basistunnels, es sei eine Win-win-Situation.
Eine Unterführung entsteht nordöstlich des Wankdorf-Strassenkreisels. Schon bisher können Züge, die aus Zürich kommen, im Wankdorf direkt in Richtung Thun abbiegen. Dank der Unterführung werden solche Züge den übrigen Verkehr auf der Linie Bern–Thun viel weniger stören. Ein zweites Entflechtungsbauwerk entsteht im Gebiet zwischen Gümligen und Allmendigen, dort, wo die Bahnlinie ins Emmental abzweigt. Ein Vorteil dieser Lösung besteht darin, dass der Landverbrauch laut Barbara Egger «wesentlich geringer» ist.
Grossumbau Bahnhof Münsingen
Der Verzicht auf das dritte Gleis bleibt jedoch nicht ohne Einfluss auf den Bahnhof Münsingen: Weil ein Teil der S-Bahn-Züge nur bis dorthin verkehrt, muss ein Wendegleis erstellt werden. Ein solches Gleis, auf dem die Züge stehen, bis sie wieder in die Gegenrichtung abfahren, hätte es ohnehin gebraucht. Es wird jetzt aber anders konzipiert.
Dies führt gemäss Mitteilung zu einem «umfangreichen Umbau» des Bahnhofs. Insgesamt erfahren die Arbeiten an der Aaretalstrecke Verzögerungen von etwa fünf Jahren. Dies hatte sich bereits vor Jahresfrist abgezeichnet. Egger rechnet mit einer Inbetriebnahme ab 2029. Sie bezeichnet die lange Realisierungsdauer als Wermutstropfen. Insgesamt werden die Angebotsverbesserungen auf dem S-Bahn-Netz Bern erst «im Zeithorizont 2030 umgesetzt werden können», wie es in der Mitteilung heisst.
Verzicht auf Perronverlängerung
Letztes Jahr hatte das Bundesamt für Verkehr verlangt, Planung und Kosten des Ausbaus des Bahnknotens Bern seien nochmals zu überprüfen. Das Resultat, das nun vorliegt, sieht nebst dem Verzicht auf das dritte Gleis im Aaretal weitere Veränderungen vor. Bisher war vorgesehen, auf der Westseite des Bahnhofs Bern die Perrons zu verlängern und die Gleisanlagen neu zu gestalten. Darauf werde nun zum Teil verzichtet, heisst es in der Mitteilung. Bestehende Abstellflächen könnten so erhalten bleiben, was die Kosten senke. Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe könnten «auf einen wesentlich späteren Zeitpunkt» verschoben werden.
Der Ausbau des Bahnknotens Bern ist bereits in vollem Gang. Unübersehbar ist die Baustelle zwischen Bahnhof Wankdorf und Bahnhof Bern, die Entflechtung Wylerfeld: Sie soll 2022 fertig sein. Bereits aufgegleist sind Umbauten im grossen Stil im Hauptbahnhof selber. Nebst einer zusätzlichen Unterführung ist unter den SBB-Perrons ein neuer Tiefbahnhof für den Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS) geplant.
Entflechten: Mehr Flexibilität
Entflechtung ist im Zusammenhang mit dem Ausbau des Bahnknotens Bern ein oft verwendeter Begriff.
Im Wylerfeld wird bereits entflechtet; weitere Entflechtungen sollen in Holligen und nun auch zwischen Wankdorf und Münsingen vorgenommen werden.
Ein «Entflechtungsbauwerk» besteht entweder aus einer Unter- oder einer Überführung. Verzweigen sich zum Beispiel zwei mehrspurige Bahnstrecken, kann auf diese Weise ein Zug, der vor der Verzweigung links fährt, nach rechts abbiegen, ohne dass er andere Gleise auf gleichem Niveau kreuzen muss – und damit blockiert. Entflechtete Bahnknoten erhöhen die Flexibilität; grössere Flexibilität bedeutet wiederum mehr Kapazität.