Streit in Walkringen: "Das darf in einem Rechtsstaat nicht passieren"

In Walkringen wurde eine Stützmauer ohne Baubewilligung gebaut. Einzelne Nägel dieser Mauer reichen bis zu acht Meter ins Nachbargrundstück. Dies akzeptiert der Nachbar nicht. Noch ist keine Einigung in Sicht.

Rolf Blaser, info@bern-ost.ch

Anfang April dieses Jahres hat das Regierungsstatthalteramt für eine Stützmauer in Walkringen einen Baustopp erlassen. Für Anwohner Urs Lüchinger war es ein langer Weg bis dorthin. Zuerst hatte er sich bei der Bauherrschaft beschwert, danach bei der Gemeinde Walkringen. Nichts hat genützt. Lüchinger sagt leicht resigniert: "Es kann doch nicht sein, dass ohne Bewilligung gebaut wird, und am Ende der Stärkere gewinnt."

 

Es wird gebaut

Urs Lüchinger (52) wohnt seit 20 Jahren in seinem Einfamilienhaus an der Friedbergstrasse in Walkringen. Neben seinem Grundstück baut die Einfache Gesellschaft Friedberg aus Enggistein sieben Einfamilienhäuser. Da am Hang gebaut wird, musste hangseitig eine Stützmauer errichtet werden. Um diese 600 Quadratmeter grosse Mauer ist ein Streit entbrannt.

 

Keine Baubewilligung vorhanden

Nachdem die Mauer gebaut war, habe er den Architekten gefragt, ob dafür eine Baubewilligung vorliege. Dieser habe staunend geantwortet, dass dafür doch nicht extra eine Bewilligung benötigt werde. Schliesslich hätten die Gemeinde Walkringen und der Regierungsstatthalter den Bau genehmigt. Was der Architekt scheinbar nicht wusste: Für die sieben Einfamilienhäuser lag eine Baubewilligung vor, nicht aber für die Stützmauer.

 

Um die Mauer zu stabilisieren, wurde diese mit Nägeln versehen. 26 dieser Nägel reichen unterirdisch ins Grundstück von Lüchinger. Die Nägel sind zwischen drei und acht Meter lang. Lüchinger ging damals davon aus, dass sie später wieder entfernt werden. Erst als der Bau schon weit fortgeschritten war, erfuhr er, dass diese Nägel bleiben.

 

"Besorgen Sie sich einen Anwalt"

Für ihn geht dies zu weit. Durch diese unterirdischen Nägel erleide sein Grundstück eine Wertverminderung. "Wenn ich später mal für eine Erdsonde eine Bohrung machen will, kann ich das nicht, wegen diesen Nägeln", so Lüchinger. Als er sich während der Bauphase bei der Gemeinde beschwerte, dass auf dem Nachbargrundstück ohne Bewilligung gebaut werde, sei er abgewimmelt worden. "Die Gemeinde wollte nichts dagegen unternehmen. Besorgen Sie sich einen Anwalt und reichen Sie Klage ein", habe ihm die Verwaltung geantwortet.

 

Daraufhin meldete er dies dem Regierungsstatthalteramt. "Noch am gleichen Tag hat dieses einen Baustopp verhängen lassen." Seit April darf nicht mehr an der Stützmauer gebaut werden, die sieben Einfamilienhäuser hingegen sind schon bald bezugsbereit.

 

Einsprache gegen Baugesuch

Mitte Juli wurde im Amtsanzeiger von Konolfingen ein nachträgliches Baugesuch für die Nagelwand publiziert. Lüchinger erhob Einsprache. Fünf Monate später kommt es jetzt zur Aussprache. Zwischen Lüchinger, einem weiteren Einsprecher und der Bauherrschaft findet Mitte Dezember eine Einigungsverhandlung statt. Bei diesem Gespräch auf der Gemeindeverwaltung, soll der Knoten gelöst, oder eher, sollen der Mauer die Nägel gezogen werden.

 

Lüchingers Forderungen

Lüchinger hat sich schon verschiedene Male mit der Bauherrschaft zu Gesprächen getroffen, bisher ohne Erfolg. Seine Forderungen seien klar: "Die Nägel müssen raus aus meinem Grundstück." Zudem verlangt er, dass ein geologisches Gutachten erstellt wird. Dieses soll klären, welche Auswirkungen die 80 Meter breite und zehn Meter hohe Stützmauer auf sein Grundstück hat.

 

"Wir wohnen am Hang, der gemäss kantonalem Zonenplan mit mittlerer Gefährdung eingestuft ist. Wenn während Jahren zusätzlich Wasser via Stützmauer auf mein Grundstück geleitet wird, wer kann mir sagen, ob mein Grundstück in 10 bis 15 Jahren nicht instabil wird?", so Lüchinger. Je nach Gutachten müssten Massnahmen ergriffen werden, unter anderem das Erstellen von Sickerleitungen.

 

"Das darf nicht passieren"

"Das geltende Recht wird aussen vor gelassen, es wird gewurstelt, der Stärkere soll gewinnen. Das kann es nicht sein." Er habe in den letzten Monaten unzählige Stunden aufgewendet. Er habe sich in die Thematik eingelesen, mit Gemeinde, Ämtern und Experten gesprochen, Anzeige erstattet und noch mehr geschrieben. Was Urs Lüchinger am meisten nervt: "Nicht ich bin der Verursacher, sondern die Bauherrschaft. Keiner steht hin und gibt den Fehler zu. Das darf in einem Rechtsstaat nicht passieren."

 

Kein Kommentar

Von Seiten Bauherrschaft sagt Niklaus Sägesser von der Einfachen Gesellschaft Friedberg zum vorliegenden Fall: "Es ist ein laufendes Verfahren, im Dezember findet eine Aussprache der Parteien statt. Vorher möchte ich mich nicht äussern." Dieselbe Antwort erhalten wir bei der Gemeinde Walkringen. Auch dort will niemand das laufende Verfahren kommentieren.

 

Bundesgericht hat gesprochen

"Es geht nicht, dass derjenige, der sich nicht um eine Bewilligung kümmert, bessergestellt ist, als derjenige der es tut," sagt Lüchinger und hofft, dass die Einigungsverhandlung bei der Gemeinde eine Lösung in seinem Sinn bringt. Er blickt zuversichtlich auf das kommende Gespräch. Im Juni fällte das Bundesgericht einen wegweisenden Entscheid. Es bestätigte ein Urteil des Bezirksgerichts Zofingen, welches eine Klage eines Nachbars guthiess. Das Gericht verpflichtete den Bauherrn, die Erdnägel zu beseitigen.

 

[i] Urteil Bundesgericht 5A_319/2021 vom 2. Juni 2022


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Erstellt: 05.12.2022
Geändert: 05.12.2022
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