Münsingen-Goalie Patrick Karrer: Coole Sache - heisser Abend
In der 1. Liga muss sich Patrick Karrer oft warmhalten. Im Cuphit gegen YB dürfte der Goalie des FC Münsingen heute für einmal tüchtig ins Schwitzen kommen.
Es ist so eine Sache, beim FC Münsingen das Tor zu hüten. Vor sich hat man eine disziplinierte und bestens organisierte Defensive, die den Gegner meist weit von der Gefahrenzone fernhält. So fliegen nur selten Bälle aufs eigene Tor, was es dem Goalie schwermacht, sich auszuzeichnen. Auch in dieser Saison ist die Defensive das Fundament des erfolgreichen Berner Erstligisten: Erst zehn Treffer hat die Abwehr um den früheren Thuner Verteidiger Lukas Schenkel in elf Runden zugelassen. «Das ist zwar gut für die Mannschaft, aber nicht immer einfach für mich», sagt Patrick Karrer aus Erfahrung. «Es kommt immer wieder vor, dass ich meinen Körper im Spiel mit Gymnastik warmhalten muss.»
Auf diese Trockenübungen wird die Nummer 1 des FCM heute ausnahmsweise verzichten können. Das wird weniger an den eher milden Temperaturen liegen, die angesagt sind, als am Gegner. Er heisst diesmal nicht Bassecourt, Black Stars oder Buochs, sondern BSC Young Boys und ist Leader der Super League. Karrer spricht von einer «coolen Sache», die ihn für einmal richtig zum Schwitzen bringen dürfte. Das Duell gegen den grossen Nachbarn ist das Fussballspiel seines Lebens, ein Traum, der wahr wird. Und die einmalige Gelegenheit, zum Helden zu werden, der auch auf der nationalen Bühne Bekanntheit erlangen würde.
Das wäre ein Novum in der Fussballlaufbahn des 26-jährigen Keepers, der seit der Juniorenzeit beim FC Münsingen spielt. Dort trainierte er zeitweise zusammen mit Roman Bürki, den er ab und zu noch sieht, wenn dieser zufällig bei einem FCM-Spiel zugegen ist. Während der eine heute in der Bundesliga bei Dortmund das Tor hütet, spielt der andere noch immer auf der Sandreutenen. Nie hat er aus einer höheren Liga ein Angebot erhalten, seit er es beim FCM in die 1.-Liga-Mannschaft geschafft hat und dort als starker wie zuverlässiger Rückhalt gilt. Ob es an den gröberen Verletzungen am Knie oder den Fingern lag, die ihn zwischendurch zurückwarfen? «Ich weiss es nicht, dafür wird es Gründe geben», antwortet Karrer gelassen. Er treibt stattdessen sein Studium der Wirtschaftswissenschaften voran, jobt im Gastronomiebereich mit einem Teilpensum im Berner Tramdepot und sagt: «Es stimmt für mich, so wie es im Moment ist.»
Spiele wie das heutige gegen YB sorgen dafür, dass der eine oder andere fussballerische Wunsch doch noch in Erfüllung geht. Es wird das zweite Mal nach dem 0:2 im September 2015 gegen den FC Sion sein, dass er seine Fähigkeiten im Cup gegen einen Super-League-Club unter Beweis stellen kann. «Die Atmosphäre wird noch besser sein als damals», ist er überzeugt, weil sich alle rund um den Verein dieses Duell mit den Young Boys gewünscht hätten. Mulmig sei es ihm in den letzten Tagen nicht gewesen, sagt Karrer, «doch das Kribbeln und die Nervosität werden vor dem Anpfiff sicher grösser sein als bei einem Ligaspiel». Vorbereiten wird er sich wie immer. Einen besonderen Tick hat er nicht, von Aberglauben hält er wenig. «Ich werde wie immer meine Trinkflasche in die gewohnte Torecke werfen, doch damit hat es sich.» Auch Rituale hätten für ihn keine grosse Bedeutung, gibt er zu verstehen.
Aufs Penaltyschiessen vorbereitet
Ein Ritual wird beim FC Münsingen vor wichtigen Cupspielen trotzdem gepflegt. «Wir werden mit dem Team wieder im Restaurant Jäger in Bethlehem essen gehen», verrät Karrer. Das hat seinen Grund: «Wir gewinnen im Cup, wenn wir uns dort verpflegen, das war auch im Sechzehntelfinal gegen Schaffhausen der Fall.» Nur hat die Sache diesmal einen kleinen Haken. Der Wirt ist seit Jahren treuer YB-Fan. So könnte es sein, dass er den FCM-Spielern diesmal nicht das gewohnte Erfolgsmenü auftischt. Und so ist auch Münsingens Goalie gespannt, was ihm heute serviert wird.
Nichts zu raten gibt es beim fussballerischen Rezept, auf das die in der 1. Liga auf Platz 2 klassierten Münsinger heute setzen werden. «Wir spielen einen eher einfachen Fussball», sagt Karrer, «sind damit aber sehr erfolgreich.» Er hat auch keine Mühe damit, dass der Mannschaft zuweilen das Motto «höch & läng, FCM» angeheftet wird. «Dafür», kontert er, «wissen bei uns alle ganz genau, wie sie spielen müssen.» Ausserdem sei Trainer Kurt Feuz ein «Taktikfuchs», dem es immer wieder gelinge, die Mannschaft richtig auf den Gegner einzustellen.
Karrer will sich auch selber gut auf die Young Boys und insbesondere deren Offensivspieler vorbereiten, so beispielsweise auf den starken linken Fuss von Sulejmani. Und sogar auf das Szenario eines Penaltyschiessens, bei dem der 1,90 Meter grosse und 92 Kilo schwere Modellathlet nur schon mit seiner Postur Eindruck auf den Schützen macht. «Gegen Hoarau», so seine Einschätzung, «hätte ich ein gutes Gefühl, den habe ich schon oft studiert. Leider wird er nicht dabei sein.»
Es wäre ein enormer Effort, wenn es der FCM-Goalie mit seinen Mitspielern heute bis ins Penaltyschiessen schaffen würde. «Wer weiss», spekuliert er, «vielleicht erwischt YB ja einmal einen schlechten Tag.»
Statt bloss zu hoffen, kann Patrick Karrer heute selber viel dazu beitragen, dass YB ins Stolpern gerät: wenn er alle Bälle hält, die auf ihn zufliegen – selbst wenn es mehr werden, als ihm lieb sein wird.
[i] Münsingen - YB im Extrazug ans Heimspiel
Wenn sich die Young Boys heute Nachmittag auf den Weg die knapp 15 Kilometer aareaufwärts machen, erwartet sie eine Art Heimspiel. Beim Cup-Achtelfinal gegen den FC Münsingen wird unter den rund 6000 Zuschauern kaum einer zu finden sein, welcher bei einem Cupsieg von YB nicht aus dem Häuschen wäre. Wie bei Auswärtsspielen üblich, fährt ab Bern ein Extrazug für die YB-Fans – mit etwa 20 Minuten Fahrzeit dürfte es sich um den kürzesten Berner Fanzug der Geschichte handeln.
Die Personallage präsentiert sich beim Tabellenführer unverändert. Von der ruppigen Partie am Sonntag beim FC Luzern (1:0) haben sich alle gut erholt. Die Langzeitverletzten Bertone, Hoarau und Seferi stehen YB-Trainer Adi Hütter nach wie vor nicht zur Verfügung. Ungewiss ist weiterhin ein Einsatz von Loris Benito. Der Verteidiger schien sich zunächst von seiner Oberschenkelverletzung gegen Lugano Mitte September (3:0) erholt zu haben. Vor eineinhalb Wochen kam Benito im Nachwuchs zum Einsatz und spielte beim 0:0 gegen Portalban/Gletterens über die volle Dauer. Vergangenes Wochenende dann zählte Benito weder in der U-21 noch beim Fanionteam zum Aufgebot.
Trainer Hütter wird gegen den 1.-Ligisten (aktuell Rang 3 in der Gruppe 2) wohl wieder moderat rotieren. Davon nicht betroffen dürften die Innenverteidiger von Bergen und Nuhu sein – sie erhalten wegen einer Sperre am Sonntag gegen Sion eine Zwangspause.