Münsingen - Wohnzimmer mit Verfalldatum

In etwa zwei Jahren werden im Höhenacker in Münsingen mehrere Blöcke abgerissen. Das trifft auch die Familien Blättler, Zink und Amstutz.

Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ
Seit 39 Jahren leben Margrit und Rolf Blättler in ihrer Wohnung in Münsingen. Ihr halbes Leben. Viel habe sich in dieser Zeit im Haus nicht verändert, beteuert das Ehepaar. Die Küche, das Bad, die Zimmer, alles sieht fast genau so aus wie beim Einzug. Und der grosse Balkon, der seit je den prächtigen Blick zu den Alpen frei gibt. Sie haben sich hier wohl gefühlt in den letzten vier Jahrzehnten. «Nur einen Lift haben wir manchmal vermisst», sagt er. Und der Ortsbus, der gleich am Haus vorbeifahre, sei ein bisschen laut.

Die Nachricht war ein Schock

Nun droht gar Baulärm – und eine grosse Veränderung. In 2 Jahren wird der Block abgerissen (siehe unten). «Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir noch einmal umziehen müssen», sagt sie am Stubentisch. «Es war für uns wirklich ein Schock», sagt er.

Die Nachricht war für viele ein Schock, das zeigen die vielen Reaktionen aus der Siedlung Am Stutz. Rund 300 Personen leben in den Häusern am Terrassenweg, am Finkenweg und am Falkenweg. Manche üben Kritik an der Besitzerin Berintra und der Vermieterin Livit. Nötige Sanierungen seien in den letzten Jahren hinausgezögert worden. Dennoch seien die Häuser ja auch nicht in einem so schlechten Zustand, dass sie gleich abgerissen werden müssten.

Früher gabs einen Verein

Das findet auch Sepp Zink vom Terrassenweg. Er ist die gute Seele im Quartier. Regelmässig kutschiert er mit seinem Velo Kinder durch die Siedlung. Seit fast 30 Jahren lebt Zink mit seiner Frau und früher mit den vier Kindern hier. «Früher hatten wir hier ein vitales Quartierleben», sagt er. Es gab einen Quartierverein, eine Zeitschrift, viele Familien, die mitmachten. «Aber gerade in den letzten Jahren ist es wieder erwacht», sagt Zink. «Es ist ein kinderfreundliches Quartier.»

Umso mehr bedauert er, dass es damit bald wenigstens vorübergehend vorbei sein könnte. Vor etwa einem halben Jahr hörte er erstmals von einem Abbruch, aber das waren nur Gerüchte. «Nun sind wir aus allen Wolken gefallen», sagt der Berufsmusiker. Doch er hat sich gefasst. «Ich habe nie Angst, ich verliere nie die Zuversicht.» Sie hätten so viele gute Freunde und fänden bestimmt eine gute Lösung. Er sei dankbar, dass er hier leben dürfe, und er freue sich auf die Zeit im Höhenacker, die noch komme.

Der Kindergarten ist nah

Etwas weniger entspannt blickt Yvonne Amstutz in die Zukunft. Sie wohnt seit 2 Jahren am Terrassenweg, zusammen mit ihrem Partner und ihrer Tochter Yakira. Sie hofft, dass sie noch 2 Jahre bleiben kann. «Dann hat meine Tochter den Kindergarten beendet.» Sie möchte nicht, dass Yakira für wenige Monate noch wechseln muss.

Es ist für sie auch praktisch, dass es hier quasi um die Ecke einen Kindergarten gibt. «Darum sind wir ja auch erst hierhergezogen.» Mittlerweile hat sie weitere Vorzüge zu schätzen gelernt. Der nahe Wald, die Bushaltestelle, das grosse Badezimmer, die vielen Spielgefährten für Yakira. Auch mit dem Mietzins ist sie zufrieden. «So etwas wiederzufinden, ist schwierig.»

Hoffen auf sanierte Wohnung

Immerhin, die Vermieterin hat ja Hilfe angekündigt. Und sie lädt nun zu einer Information. Nicht erst «in der ersten Hälfte des kommenden Jahres», wie zuerst angekündigt, sondern schon am 14.August. Dennoch haben sich viele Bewohner besorgt bei der Livit gemeldet. Auch Blättlers.

Sie wollen sicher nicht aus Münsingen wegziehen, und am liebsten auch nicht aus dem Höhenacker. «Wir hoffen, dass wir eine Wohnung im sanierten Teil der Siedlung bekommen», sagt Rolf Blättler. «Das wäre gut für uns.»
 
[i] Siehe auch:

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Erstellt: 17.07.2014
Geändert: 17.07.2014
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