Münsingen - Widerstand gegen das "Altersghetto"
Ein Komitee wehrt sich gegen die Senevita-Überbauung. Es wirft dem Gemeinderat Salamitaktik vor und spricht von einem «Seniorensilo». In einem Monat kommts zur Abstimmung.
Riegel im Dorf
Der Münsinger Gemeinderat will das Quartier westlich des Bahnhofs entwickeln. Die vorliegende Überbauungsordnung soll dabei den Anfang machen. Geplant ist ein Gebäude vis-à-vis dem Bahnhof mit sieben respektive fünf Stockwerken. Darin will die Senevita AG ein Alterszentrum mit 50 Pflegeplätzen, 80 Seniorenwohnungen und 55 unterirdischen Parkplätzen betreiben.
Die neu durchgehende Industriestrasse soll von der Belpbergstrasse die Gleise entlangführen und mit der Sägegasse und der neuen Entlastungsstrasse verbunden werden. Zudem sind ein neuer Bahnhofplatz, ein direkter Zugang zum Perron nach Bern sowie ein unterirdischer Veloparkplatz für 650 Velos geplant.
Mit diesen Ideen kann Maurer wenig anfangen. Er und das Komitee werfen dem Gemeinderat «Salamitaktik» vor. Mit der Überbauungsordnung würden die Weichen für die weitere Gestaltung des Quartiers und die gesamte Linienführung der Industriestrasse gestellt. «Dann ist klar, wie es weitergeht.» Gemeinderat Andreas Kägi (FDP) wehrt sich gegen diesen Vorwurf. «Von Anfang an war hier volle Transparenz.» Der Gemeinderat habe den Richtplan verabschiedet, jetzt gehe es um die erste Überbauungsordnung. Beide Teile seien in ein Mitwirkungsverfahren eingebunden gewesen.
Die städtebauliche Entwicklung gefällt Maurer nicht. Das siebenstöckige Gebäude stelle einen Riegel dar und sorge neben der Bahn für eine weitere Trennung der Ortsteile. Er stellt zwar klar, dass das Komitee nichts gegen die Pflegeplätze einzuwenden hat. Wie aus Diskussionen im Internet hervorgeht, ist die Betreiberfirma aber umstritten. In einem Papier des Komitees ist von einem «Seniorensilo» und einem «profitorientierten Altersghetto» die Rede. Münsingen brauche zusätzliche 220 Pflegeplätze, sagt dazu Kägi. «Bei einer Ablehnung der Überbauungsordnung fehlen uns diese Plätze.»
Wie teuer ist ein Tunnel?
Am meisten stört sich das Komitee an der Strassenführung. Es fordert, dass die Industriestrasse in den Boden verlegt wird. «Das Vorbild ist der Berner Bahnhof», sagt Maurer, «dort fährt man auch durch eine Einstellhalle.» So solle es auch in Münsingen sein. Mit der neuen Strasse könnte man alle Einstellhallen verbinden, sagt Maurer: «Oben geniessen, unten erschliessen.»
Diese Variante sei von einem Ingenieurbüro geprüft worden, sagt Kägi. «Technisch ist sie mit grossen Herausforderungen verknüpft.» Beispielsweise müssten lange Rampen gebaut werden, da sie den Grabenbach und die Veloeinstellhalle unterqueren müssten. Zudem hätten die Berechnungen ergeben, dass der Bau rund 50 Millionen Franken kosten würde. Das sei ein immenser Preis für etwas mehr als 3000 Verkehrsbewegungen pro Tag. «Wer soll das bezahlen? Die Gemeinde sicher nicht.»
Laut Maurer könnten die Kosten indes im einstelligen Millionenbereich liegen. «Wegen tieferer Unterhaltskosten könnte diese Variante langfristig sogar günstiger sein als eine oberirdische Strasse.»
[i] Podiumsdiskussion: Heute Dienstag, 19.30 Uhr, Schlossgut Münsingen.
[i] Siehe auch:
- Heute Abend Live-Schaltung: Podium zur Senevita-Überbauung in Münsingen vom 6.2.2018
- "Abstimmung zur Münsinger Senevita-Überbauung: Die Argumente der Gegner und der Befürworter" vom 1.2.2018