Münsingen - Sie sind das Volk
Nach einer Phase der Selbstzweifel vertrauen die Münsinger Parlamentarier wieder auf sich selbst.
Das Münsinger Gemeindeparlament hat ja vier eher schwierige Jahre hinter sich. Seine Ideen wurden vom Stimmvolk selten oder dann nur bedrohlich knapp geteilt, und so bekam es in schöner Regelmässigkeit eins aufs Dach. Im vergangenen Herbst wurde das Parlament neu zusammengestellt – und doch taumelte das Gremium im fortwährenden Zustand der Identitätskrise ins neue Jahr.
Das zeigte sich vorgestern an der zweiten Sitzung der neuen Legislatur. Gleich zu Beginn liessen sich die Parlamentarier von einem Experten für Verwaltungsmanagement zum Thema «Gemeindeparlament Münsingen – das Wichtigste in Kürze» aufklären. Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?
Das neue Wissen und Selbstbewusstsein machten sich schon eine halbe Stunde später bemerkbar – bei Traktandum 4, einer Motion noch aus dem letzten Jahr. Thema: «Wir haben bemerkt, dass das Parlament bei wichtigen Themen am Volk vorbeipolitisiert», erklärte Luca Martignoni (FDP). Darum forderte seine Partei, dass bei wichtigen Themen künftig die Münsinger Bevölkerung konsultativ befragt wird. Die Ergebnisse der Befragungen wären zwar rechtlich nicht verbindlich, verpflichteten die Behörden aber mindestens moralisch. «Diskrepanzen zwischen Behörden und Bevölkerung sind dem Ansehen der Demokratie abträglich und sollen in Zukunft möglichst vermieden werden», schrieb die FDP.
Doch der Gemeinderat wollte von Konsultativabstimmungen nichts wissen. Er hatte eine bessere Idee. «Mit der Bevölkerungsbefragung haben wir bereits ein wirksames Mittel», sagte Gemeindepräsident Beat Moser (Grüne). Damit könne man etwa auch repräsentative Stichproben nehmen.
Befragungen sollen aber nur in seltenen Fällen angewendet werden. Der Gemeinderat wolle die Ansicht des Parlaments schliesslich nicht übergehen. «Denn die Parlamentarier sind die sogenannten Volksvertreter», steht in seiner Antwort. Das leuchtete der FDP ein. Sie zog ihren Antrag zurück.
Vielleicht erfahren Münsingens Parlamentarier neuerdings ohnehin besser, wie das Volk tickt, das sie vertreten. Denn die Sitzungen im Schlossgutsaal finden seit diesem Jahr nicht mehr montags, sondern dienstags statt. Die Erklärung des letztjährigen Parlamentspräsidenten: «Am Dienstag hat auch das Restaurant einen Stock tiefer geöffnet.»