Münsingen - Proteste gegen Blocher

Christoph Blocher referiert am Sonntag über drei «Aaretaler Persönlichkeiten». Dagegen wehren sich Münsinger Lokalhistoriker und Berner Aktivisten.

Laura Fehlmann · Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ

«Berner Geschichte – made in Herrliberg» titelt Albert Kündig ein Protestschreiben gegen den Vortrag von Christoph Blocher, das nebst ihm vier weitere Münsinger unterzeichnet haben. Sie waren bei der 2010 publizierten Ortsgeschichte stark engagiert.

Dass der ehemalige SVP-Bundesrat mit Magdalena Nägeli und Christoph von Graffenried zwei Angehörige des Ancien Régime als verdienstvolle Vorfahren präsentieren wolle, findet Kündig geradezu paradox, ging doch der Sturz dieses Régimes 1831 von einem Volkstag in Münsingen aus. Erstaunlich sei auch, dass Blocher den Schriftsteller Friedrich Glauser auch zu den verdienstvollen Personen zähle. «Gerade Glauser, der in seinen gesellschaftskritischen Romanen die Scheinheiligkeit der Herrschenden anprangerte», empört sich der 77-Jährige.

Der Lokalhistoriker glaubt nicht, dass es Blocher darum gehe, die Aaretaler Bevölkerung mit Erkenntnissen aus ihrer Geschichte vertraut zu machen. «Er stellt die Personen scheinbar objektiv vor, und siehe da: Seine politischen Glaubenssätze sind historisch abgestützt.» Für Albert Kündig ist dies Geschichtsmissbrauch.

Mahnwache gegen Anlass

Auch ausserhalb Münsingens stösst der Auftritt auf Ablehnung. Blocher äusserte sich in dieser Zeitung zu den Porträts. Beispielsweise stellte er sich selbst sowie Glauser als «Gestrandete» dar. Unter anderem diese Aussage ist dem Berner Aktivisten Johannes Lortz sauer aufgestossen. Darum hat er für Sonntag Widerstand angekündigt. Zusammen mit anderen will er ab 14 Uhr auf dem Schlossgutplatz eine Mahnwache «mit Kerzen» abhalten.

Mit der «Vereinnahmung Blochers» erfahre die politische Verfolgung von Glauser «eine absurde, pietätlose Fortsetzung im Geiste einer konservativen und falschen Landesverteidigung von gestern». Lortz will den Anlass nicht stören, sondern friedlich protestieren. «Wie, werden wir spontan vor Ort entscheiden.»

Organisator enttäuscht

Erstaunt über den Widerstand ist Initiant Urs Baumann. Der Münsinger Unternehmer und SVP-Gemeindeparlamentarier hatte Blocher eingeladen und ihm auch drei Personen vorgeschlagen, welche der Referent mit einer Ausnahme akzeptierte – statt Hans Franz Nägeli entschied er sich für dessen Tochter. «Ich wählte diese Persönlichkeiten ohne jegliche politische Motivation», sagt Baumann, «im Vordergrund stand ein geselliger Anlass mit einem kulturellen Thema.» Interessierte sollen einfach einen Gedankenanstoss erhalten und sich austauschen können.

Organisator Baumann erwartet, dass es sich beim Protest wie angekündigt um eine friedliche Mahnwache handelt. Auf dem Schlossgutplatz werden Tische und Bänke aufgestellt, sodass bei schönem Wetter die Rede auch draussen verfolgt werden kann.

[i] Vortrag: Sonntag, 19. Oktober, Schlossgut, Münsingen. Türöffnung 14 Uhr, Beginn 15 Uhr.


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Erstellt: 15.10.2014
Geändert: 15.10.2014
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