Münsingen - Partei, harmoniebedürftig, sucht...
FDP und Grüne suchen potenzielle Kandidaten fürs Münsinger Gemeindepräsidium - per Annonce. Den Sozialdemokraten ist derweil überraschend der Hoffnungsträger abhandengekommen.
Nach einem Wahlkrimi sieht es derzeit nicht aus im Münsinger Wahljahr - spannend dürfte es trotzdem werden. Fest steht, dass sich der bisherige Gemeindepräsident Erich Feller von den Freien Wählern am 27. Oktober nicht mehr zur Verfügung stellt. Der ehemalige Finanzverwalter tritt nach zwölf Amtsjahren ab. Das nächste Gemeindeoberhaupt könnte nun ebenfalls aus den Reihen der Verwaltung stammen: Martin Niederberger, Leiter der Bauabteilung, hat sein Interesse an einer Kandidatur angemeldet, wie es bei FDP und Grünen übereinstimmend heisst.
Der parteilose Niederberger, 48, bestätigt dies auf Anfrage. «Als Gemeindepräsident hätte ich die Chance, etwas mehr zu bewegen als bisher», sagt er. Ihm sei bewusst, dass «kein Schoggi-Job» auf ihn warte. «Ich bin aber motiviert für diese Aufgabe und traue mir zu, unsere Gemeinde umsichtig und nachhaltig zu führen», so der gebürtige Nidwaldner, der sich «nicht als typischen Verwalter» bezeichnet: «Ich kenne zwar die Verwaltungsabläufe gut, aber ich komme aus dem Ingenieurswesen und habe Erfahrungen im betriebswirtschaftlichen Bereich.» Über seine Kandidatur wollen die Parteien bis April entscheiden. Bislang ist er der einzige Interessent. Aufhorchen lässt der ungewöhnliche Weg, den Grüne und FDP bei der Kandidatensuche eingeschlagen haben. Sie haben auf ihren Websites eine Art Stellenanzeige aufgeschaltet. Gesucht wird ein oder eine «Gemeindepräsident/-in». Von den potenziellen Kandidaten erwarten beide Parteien Ähnliches: einen «kooperativen Führungsstil» etwa oder «vernetztes Handeln». Zudem soll das Gemeindeoberhaupt in spe die Gemeinde nicht bloss verwalten, sondern eine Vision für ihre Zukunft entwickeln.
Suche nach Einheitskandidat
Die beiden anderen grossen Parteien, die SP und die Bewegung Freie Wähler, haben zwar keine Anzeigen geschaltet. Über die Parteigrenzen hinweg besteht allerdings Einigkeit, dass bei diesen Wahlen das Parteibüchlein keine ausschlaggebende Rolle spielen soll. FDP-Wahlkampfleiter Andreas Kägi sagt etwa, ein SP-Kandidat wäre kein «No-Go» für ihn: «Wenn er kein Fundamentalist ist und ins Profil der Anzeige passt - wieso nicht?» Auch Grünen-Präsidentin Irene Wernli findet: «Es sollte die Person im Vordergrund stehen, nicht die Partei.» Deshalb die Anzeige. Für Freie-Wähler-Chef Urs Münger wiederum ist klar, dass man Leute finden müsse, «die allen passen». Letztlich möchte man sich auf zwei, maximal drei Kandidaten einigen. Hauptsache sei, dass nicht jede Partei für sich mit einem chancenlosen Kandidaten vorpresche und ein «unnötig teurer Wahlkampf entbrennt», fasst FDP-Parlamentarier Kägi zusammen.
Gibt es überhaupt einen Gegner?
Dieses ungewöhnliche Pochen auf Harmonie und Überparteilichkeit kommt nicht von ungefähr: Das Münsinger Parteisystem ist stark fragmentiert. Im Parlament halten die vier grössten Kräfte - SP, FDP, Grüne und Freie Wähler - nur je 5 von insgesamt 30 Sitzen. Ihre Stimmenanteile haben sich in den letzten Jahren zunehmend angeglichen. Bei den Wahlen 2009 lagen sie mit Werten zwischen 15 und 17,6 Prozent schon sehr nahe beieinander. Den Kampf um das Parteipräsidium entlang von Parteilinien zu führen, ist in einem solchen Umfeld keine erfolgversprechende Strategie und würde potenzielle Interessenten verprellen. Wichtig sind vielmehr breit abgestützte Kandidaturen.
Bislang sieht es freilich so aus, als ob es gar keinen Wahlkampf geben wird. Der einzige Gegner einer potenziellen Kandidatur Niederberger hat nämlich unverhofft das Handtuch geworfen. Peter Baumann war bis Ende Jahr Gemeindepräsident vom Trimstein, das Anfang 2013 mit Münsingen fusioniert hat. Noch im November kündigte er in der «Berner Zeitung» an, grundsätzlich am Amt interessiert zu sein. Nun folgt die Überraschung: «Ich bin zu beinahe 100 Prozent sicher, dass ich mich nicht an den Wahlen beteiligen werde», sagt Baumann auf Anfrage und begründet: «Ich habe auf Gemeindeebene bewegt, was möglich war. Ich wüsste schlicht nicht, was ich Münsingen noch Neues bringen sollte.» Mit der Gemeinde als solche hat das übrigens nichts zu tun, wie er betont. Die Sozialdemokraten hat diese Ankündigung auf dem falschen Fuss erwischt. Für sie wäre Baumann nämlich ins Rennen gestiegen. «Ich bin schon enttäuscht, auch wenn ich seine Gründe nachvollziehen kann», sagt Parteipräsidentin Elisabeth Striffeler. «Als Neu-Münsinger betrachtet Baumann unsere Gemeinde aus einem anderen Blickwinkel. Das hätte uns bestimmt gutgetan.» Aufgeben will sie aber noch nicht. «Wir suchen weiter. Und wenn es dann nicht klappt, dann klappt es eben nicht.»