Münsingen - Ohne Glückskarten kein "Pääge"

Lotto spielen – eine entspannte und einfache nachmittägliche Tätigkeit? Mitnichten! Das zeigt ein Selbstversuch beim Superlotto der Brassband Münsingen.

Annic Berset, Berner Zeitung BZ

Bei der Ortseinfahrt Münsingen geht der Verkehr plötzlich nur noch im Schritttempo voran. Auto um Auto schlängelt sich durch das Dorf. Auf einem grossen Schild wird auf das Punktelotto der Brassband Münsingen hingewiesen – wollen etwa alle dorthin? Nicht ganz, aber der Gemeindesaal des Schlossgutes ist an diesem grauen und windigen Samstagnachmittag gut gefüllt. Über zweihundert Personen sitzen an den Tischen und lauschen dem Speaker, der eine Zahl nach der anderen vorliest. Es herrscht eine gespannte Atmosphäre im Raum. Jedermann schaut konzentriert auf die Zahlenkarten, die vor ihm auf dem Tisch liegen.

«Am ersten Februarwochenende kommen jedes Jahr sogar Leute aus dem Aargau und vom Emmental hierher, um mitzuspielen», erzählt der Vizepräsident der Brassband, Walter Grossenbacher. Der Verein organisiert das Superlotto seit über zehn Jahren, um wichtige Einnahmen zu generieren. «Wenn es heute so weiterläuft, wie der Nachmittag begonnen hat, sind wir sehr zufrieden», sagt Grossenbacher. Damit das Ganze reibungslos ablaufe, seien viele Helfer in Einsatz. «Über fünfzig Personen sind heute eingespannt und unterstützen uns.»

Strategie ist gefragt

Nach einigen dringend notwendigen Erklärungen von Walter Grossenbacher für die blutige Lottoanfängerin kann es endlich losgehen. Die erworbenen Jetons werden in Zahlenkarten umgetauscht und untereinander platziert. Dann beginnt die nächste Runde. Was für ein Stress, die ganzen Zahlen auf den vier Karten zu finden! Und manchmal sind auf den verschiedenen Karten auch noch dieselben Zahlen drauf! Schon kommt die nächste Ziffer, und man hat die vorherige noch nicht einmal richtig zugeordnet.

Zum Glück interveniert bald die Sitznachbarin mit einer einleuchtenden Strategie: «Die Nummern sind in Zehnerblöcke unterteilt, von oben nach unten wird immer nur der richtige Block abgesucht», erklärt sie. Und tatsächlich, als der Speaker die Zahl 45 aufruft, kann diese sofort abgedeckt werden, und es bleibt sogar noch Zeit, der Nachbarin zu danken, bevor die nächste Ziffer vorgelesen wird.

Nach ein paar weiteren Nummern ruft es das erste Mal durch den Saal: «Karton!» Ein leises Raunen geht durch die Menge – Mist, der erste Preis ist weg. Wie sieht es aus mit dem Anfängerglück beim Lotto? Definitiv nicht vorhanden. Ein ums andere Mal fehlt nur noch eine bestimmte Zahl. Aber der Wunsch, selber einmal «Karton» durch den Raum zu rufen, bleibt Runde für Runde im Halse stecken.

Trostpreis Schokoladekuchen

Auch als es um die volle Karte geht, wo am meisten Punkte und damit ein grosser Preis zu holen sind, sind andere schneller. Und es beschleicht einen das Gefühl, dass immer dieselben Leute im Saal die Punkte abräumen. Die ältere Dame nebenan zum Beispiel, die nach einer weiteren gewonnenen Runde aufsteht und zwei prall gefüllte Taschen neben sich abstellt. «Wie soll ich das alles bloss nach Hause schleppen?», fragt sie halblaut vor sich hin.

Vielleicht könnte man ja mal die Zahlenkarten wechseln? Leider bringen auch die Glückskarten der älteren Dame nicht viel, die Frustration wächst, man kauft noch ein paar Jetons. «Ich will auch einmal ‹pääge›», sagt die sympathische Sitznachbarin. Aber auch die neuen Jetons sind schon bald eingetauscht und verbraucht, ohne dass man den gewünschten Ruf von sich geben kann. Und trotzdem geht am Ende des Tages niemand mit leeren Händen nach Hause. Am Ausgang wartet nämlich eine Box mit kleinen Schokokuchen.

 


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Erstellt: 06.02.2017
Geändert: 06.02.2017
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