Münsingen - Offline im Skilager

Schule Boarden ja, surfen nein: Eine Münsinger Schule verbietet ihren Schülern, das Handy ins Skilager mitzunehmen. Auch anderswo sind die Geräte eine Herausforderung.

Christoph Albrecht, Berner Zeitung BZ

Es gab eine Zeit, da war das einzige Lebenszeichen, das man während eines Schullagers von seinen Eltern erhielt, das Frässpäckli. Sonstige Kontakte nach Hause gab es nicht. Und wenn doch einmal ein Anruf bei der Mutter nötig war, bedeutete das meist nichts Gutes.

 

Es war eine Zeit, in der es noch keine Handys gab. Heute, wo gemäss Studien praktisch jeder Fünftklässler schon ein eigenes Mobiltelefon besitzt, ist das anders. Für die Berner Schulen, die in den nächsten Tagen und Wochen wieder in die halbe Schweiz ins Skilager ausschwärmen, bedeutet das, dass sie Regeln aufstellen müssen. Wie unterschiedlich streng diese sein können, zeigt eine Umfrage dieser Zeitung bei rund 30 Schulen in der Region.

 

Nur in Spezialfällen erlaubt

Am weitesten geht die Schule Schlossmatt in Münsingen. Sie hat ihren Schülerinnen und Schülern für das Skilager kurzerhand ein Handyverbot auferlegt. «Die Klassenlehrpersonen haben in Absprache mit der Schulleitung entschieden, dass die Schüler eine Woche lang auf das Handy verzichten und dieses nicht ins Lager mitnehmen», schreibt Schulleiter Daniel Wildhaber, dessen drei fünfte Klassen heuer ins waadtländische Leysin fahren. Diese «pädagogische Massnahme», wie er es nennt, habe man getroffen, «um den geordneten Schulbetrieb und die Gemeinschaft ohne Beeinträchtigung durch Handys zu ermöglichen». Die meisten Eltern zeigten für das Handyverbot Verständnis, so Wildhaber. Er betont, dass die Kinder in medizinisch begründeten Fällen ein Handy dabeihaben dürfen. Und: «Die Lehrpersonen sind für die Eltern erreichbar, wenn es die Situation erfordert.»

 

Ähnlich strenge Regeln gelten bei der Schule Niederscherli, deren Fünft- und Sechstklässler (11- bis 12-jährig) im Februar eine Woche auf der Engstligenalp zugegen sind. Zwar müssen sie das Handy nicht ganz zu Hause lassen, benützen dürfen sie es im Lager aber kaum. «Einen freien Handygebrauch gibt es nur zwischen 17 und 19 Uhr», schreibt die Schule. Während dieses Zeitfensters zwischen Rückkehr von der Piste und Abendessen sollen die Kinder mit ihren Eltern Kontakt haben dürfen. Danach müssen sie ihre Mobiltelefone dem Leiterteam bis zum nächsten Tag abgeben. Hält sich jemand nicht daran, hat das Folgen. «Wenn Schüler ihr Handy nicht wie aufgefordert abgeben, wird dieses bis Ende Lager eingezogen.»

 

Angst vor Mobbing

Auch die Fünftklässler der Könizer Hessgut-Schule dürfen ihr Handy im Lager im Wallis nur stundenweise benützen. «Grundsätzlich sind die Handys in unserer Obhut», teilt die Schule mit. Als Grund für die strenge Regelung nennt sie unter anderem die «Vermeidung von Mobbing». Sie wolle verhindern, dass Filme oder Fotos von Schülern auf Social Media verbreitet werden.

 

Die meisten angefragten Schulen, die heuer ins Skilager fahren, schränken den Handykonsum ihrer Schüler derweil nur minim ein. So gilt etwa bei den Oberstufen in Konolfingen, Zollikofen und Köniz sowie in Moosseedorf (5. bis 9. Klasse): Handys sind erlaubt, über Nacht müssen sie aber abgegeben werden. «Für die Schlafhygiene der Schüler ist das sicher nicht schädlich», heisst es in Konolfingen. Ohne diese Massnahme sähen auch die anderen Schulen die Nachtruhe gefährdet.

 

Kein WLAN-Passwort

Generell scheint der Handygebrauch der Schüler in einem Klassenlager die Lehrerschaft durchaus vor Herausforderungen zu stellen. «Handys erweisen sich in den Lagern oft als Stimmungs- und Gemeinschaftskiller», bestätigt die Schule Moosseedorf. Anstatt an gemeinschaftlichen Anlässen teilzunehmen, würden Schüler lieber am Gerät herumdrücken.

 

Ein Problem sind offenbar auch die Eltern. «Sie erwarten in Lagern eine gewisse Erreichbarkeit», schreibt das Oberstufenzentrum Köniz. Der rege Austausch zwischen Kind und Eltern via Handy könne zu «schwierigen Situationen» führen. Ein Beispiel: Plagten einen Schüler Kopfschmerzen, seien dessen Eltern oftmals eher orientiert als die Lagerleitung. «Es werden dann Ferndiagnosen gestellt und Medikamente empfohlen, die nicht immer nur Gutes bewirken», so die Schulleitung. Sie wünschte sich mehr Vertrauen in die Lagerleitung – und dass die Eltern auch einmal für eine Woche loslassen könnten. Damit die Kinder nicht allzu viel Zeit in der virtuellen Welt verbringen, rücken die Lehrer aus Köniz WLAN-Passwörter der Unterkunft nicht heraus.

 

Handy hilft im Notfall

Bei allen Problemen, die Handys im Klassenlager verursachen können – viele Schulen schätzen sie gleichzeitig auch. «Gerade in einem Skilager, wo die Kinder auf Pisten unterwegs sind, haben Mobiltelefone einen Notfallcharakter», sagt Rolf Graber, Schulleiter in Zollikofen. Den Sicherheitsaspekt nennen auch mehrere andere Schulen. «Verlorene Schüler konnten dank dem Handy schon wiedergefunden werden», erzählt etwa Christoph Schiltknecht aus Moosseedorf.

 

Von einem Totalverbot halten deshalb die wenigsten etwas. «Das ist unseres Erachtens nicht zeitgemäss», findet Daniel Haudenschild, Schulleiter der Oberstufe Hochfeld in der Stadt Bern. Bei drei seiner total zehn Klassen sind Mobiltelefone im diesjährigen Skilager in Gstaad nicht nur erlaubt, sie werden sogar ausdrücklich verlangt. Der Grund: Für eine Projektarbeit müssen die Schüler einen Handyfilm drehen.


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Erstellt: 24.01.2019
Geändert: 24.01.2019
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