Münsingen - Münsingens Geschichte – von der «Moschti» bis in die USA

Der Münsinger Kulturpreis geht an die kürzlich erschienene Ortsgeschichte.

Es war ein langer Weg, bis die 500 Seiten starke Ortsgeschichte «Münsingen – Geschichte und Geschichten» im letzten Oktober gedruckt wurde: fünf Jahre Planung, 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die rund 10 000 Stunden Freiwilligenarbeit leisteten – und jede Menge Herzblut investierten. Doch der Aufwand hat sich gelohnt: Von den 3000 publizierten Exemplaren ist mittlerweile die Hälfte verkauft, und immer wieder treffen neue Anfragen ein – nicht selbstverständlich für ein Geschichtsbuch. Nun kommt den Beteiligten eine weitere Ehre zuteil: Heute Abend werden sie mit dem Münsinger Kulturpreis ausgezeichnet.

Begonnen hat das Projekt 2005, als die Kommission Ortsgeschichte ein Konzept vorlegte, das von Gemeinderat und Parlament in der Folge gutgeheissen wurde. Um das Buch zu finanzieren, hat die Gemeinde 130 000 Franken bezahlt, 100 000 Franken wurden von Sponsoren übernommen. Es sei den Beteiligten wichtig gewesen, dass das Buch nicht allzu schwer und technisch daherkomme, sagt Albert Kündig, Präsident der Kommission Ortsgeschichte. Die längeren Kapitel zu Themen wie Frühgeschichte, Gesellschaft, Bildung oder Wirtschaft seien deshalb mit kürzeren Beiträgen zu einzelnen Episoden aufgelockert worden. Mit dem Buch sollen auch jene Zugang zu Münsingens Geschichte erhalten, die sich sonst weniger mit diesem Thema befassen.

Von Münsingen nach Kalifornien

Er selber habe während der Recherchen zum Buch viel Neues über Münsingen erfahren, sagt Kündig. Eine Geschichte hat ihn besonders beeindruckt: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Rudolf Weibel während einiger Zeit Betriebsleiter der Mosterei in Münsingen. Doch der innovative und umtriebige Mann wollte mehr, er wollte etwas Eigenes auf die Beine stellen. Also eröffnete er – gleich gegenüber der «Moschti» – eine Brennerei. Neben dem Brennen von Schnaps hatte Weibel genügend Zeit, Experimente durchzuführen. So fand er einen Weg, Obstkonzentrat herzustellen. Doch die Innovation kam weder bei seinem früheren Arbeitgeber noch bei den Bauern gut an. Schliesslich griff auch die Politik ein: Die Erfindung wurde Weibel aberkannt. Dieser war so verärgert, dass er beschloss, mit seinem Sohn Fred in die USA auszuwandern. Dort begann er im Keller eines Hotels namens Wilhelm Tell seinen eigenen Schaumwein zu produzieren. Mit grossem Erfolg: Heute gehört der Familie Weibel ein riesiges Weingut nördlich von San Francisco.

Weitere Projekte werden folgen

Es gebe noch viele weitere solcher Geschichten, sagt Kündig. So viele, dass nicht alle Platz in der Ortsgeschichte gefunden haben. Deshalb ist für Kündig klar: «Mit der Veröffentlichung des Buches ist das Thema Dorfgeschichte noch lange nicht abgeschlossen.» Die Ortsgeschichte soll auch weiter gepflegt werden – «in welcher Form auch immer». Rund 15 Personen, die bereits beim Buch mitgewirkt haben, hätten sich bereit erklärt, auch an künftigen Projekten mitzuarbeiten. Bereits ist eine Webseite aufgeschaltet, auf der neben dem Inhalt des Buches weitere Texte und Vorträge zum Thema publiziert werden sollen. Auch sind weitere thematische Führungen geplant, wie sie bereits im Rahmen der Sonderausstellung «Erlebte Geschichte» durchgeführt werden.

Kündig ist es zudem ein grosses Anliegen, die Jugendbewegungen in Münsingen seit 1968 bekannter zu machen. Im Dorf im Aaretal habe es immer wieder Gruppierungen gegeben, die sich für ihre Werte und Ideologien einsetzten. So beispielsweise die Aktivisten von «Don Quichotte». Diese hätten unter anderem dafür gekämpft, dass in der Gemeinde Glas- sowie Altpapiersammlungen durchgeführt werden. Im nachbarschaftlichen Frondienst wurde auch ein Kinderspielplatz aufgebaut. Doch wie Rudolf Weibels Engagement kam auch jenes «Don Quichottes» nicht überall gut an: «Die Mitglieder wurden in der Gemeinde als Kommunisten bezeichnet.»


Ideelle Werte machen reich

Dass die Ortsgeschichte mit dem Münsinger Kulturpreis ausgezeichnet werde, sei sehr schön. «Es macht mich stolz, in einer Gemeinde zu wohnen, die einen Kulturpreis verleiht», sagt Kündig. Das zeige, dass Kultur in Münsingen eine wichtige Rolle spiele; hier sei die Politik gewillt, in die Kultur zu investieren. «Oft wird vergessen, dass eine Gemeinde nicht nur aus dem Finanz- und dem Verwaltungsvermögen besteht: Auch ideelle Werte können reich machen.»

Kultur- und Sportpreis

Bereits zum zehnten Malverleiht die Gemeinde Münsingen die mit je 2500 Franken dotiertenKultur- und Sportpreise. Ersterer geht an die Beteiligten der Ortsgeschichte «Münsingen – Geschichte und Geschichten».

Die Gemeinde honoriert damit die «ausserordentliche Leistung» der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in «vielfältiger Weise» zum Inhalt des Buches beigetragen haben. Der Preis sei «Anerkennung für die ehrenamtlich geleistete Arbeit». Mit dem Sportpreis 2010 werden die Majoretten Münsingen ausgezeichnet. Die jungen Frauen verstünden es, die Mitglieder der vier Altersgruppen Minis, Midis, Majoretten und Eos Hespera «zu Bewegung und Tanz zu motivieren».

 

[i] Die Preisverleihung findet heute Abend im Schlossgutsaal in Münsingen statt. Der Anlass beginnt um 20 Uhr.

Lisa Stalder,"Der Bund"


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Erstellt: 11.02.2011
Geändert: 11.02.2011
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