Münsingen - Kleider für die Kleinen
Mit seiner Kinderkleiderbörse bewegt sich Heinz Eichenberger in einer Welt, die fest in Frauenhand ist. Und die auch ihre Tücken hat: Die rosarote Brille hat er längst abgelegt.
Auf dem Schreibtisch von Heinz Eichenberger liegt ein Stapel Hosen, daneben eine Beige T-Shirts: Es sind Kleider, die ihm jemand für seine Kinderkleiderbörse beim Bahnhof Münsingen gebracht hat. «Als Erstes checke ich immer, ob etwas Löcher oder Flecken hat.» Was er zu schmuddelig findet, sortiert er gleich aus.
Röcklein, Hosen, Jacken: Die Metallstange, die sich die Wände entlang zieht, hängt voller Kleider. Auf weissen Tablaren stapeln sich T-Shirts, Pullover und Hemden, an einem runden Ständer baumeln Badekleider. «Ordnung ist mir wichtig», sagt Eichenberger. Das habe ihm auch Vertrauen eingebracht – von Lieferantinnen und Kundinnen. Denn die Sache mit den Kleidern für die Kleinen liegt fest in Frauenhand.
Es sei schon «eher aussergewöhnlich», dass er als Mann eine Börse betreibe, sagt Eichenberger. Aufgebaut hat den Laden seine frühere Partnerin. Als die Beziehung auseinanderbrach, übernahm er im Februar 2011 die Börse im Untergeschoss seiner Schuhmacherei kurzerhand selbst. «Sie ist eine gute Ergänzung», sagt er. Doch die Konkurrenz ist gross: Alleine in Münsingen gibt es vier Börsen, und im Internet und an Flohmärkten lassen sich Kleider auch direkt absetzen. «Das spüre ich», sagt Eichenberger. Sein Vorteil sei, dass er wochentags immer offen habe.
193 Lieferantinnen habe er, erzählt Eichenberger nicht ohne Stolz. Dass er früher alleinerziehender Vater war, hilft auch. «Ich habe mich auch um die Kleider meiner Kinder gekümmert», erzählt der gelernte Koch.
Stehlen und fälschen
Die rosarote Brille hat Eichenberger längst abgelegt: Kundschaft, die hemmungslos stehle und Preisschilder fälsche, gehöre ebenso zum Alltag wie Mütter mit Kindern, die den Börsenraum in einem himmeltraurigen Zustand zurücklassen, erzählt er. «Ich habe die Börse zwar Maulwurf getauft, weil man hier wühlen und sich wohlfühlen soll. Manche nehmen das aber etwas gar wörtlich.» Genutzt wird das Angebot von Kreti und Pleti, so Eichenbergers Erfahrung. «Ab Grösse 110 wird es allerdings schwieriger.» Da haben Kinder oft keine Freude mehr an Occasionkleidern. Schon manches «Päägg» habe er miterlebt, weil ein Kind etwas hätte nehmen sollen, das es nicht wollte, sagt Eichenberger. Es kann auch umgekehrt passieren: In der Spielzeugecke kriegen Kinder nicht immer, was ihr Herz begehrt.
Mehr für Mädchen
Er erhalte viel mehr Sachen für Mädchen als für Buben. «Die Buben machen ihre Kleider wohl rascher kaputt», mutmasst Eichenberger. Nur dank Excel-Tabellen behält er die Übersicht, wem er was schuldet. Auf jedem Preisschild ist dazu die Lieferantin mit Kürzel vermerkt. Was lange nicht verkauft werden kann, geht für Kinder nach Afrika.
Vielleicht blüht das auch dem weissen Body, das an einem Bügel baumelt. «Wenn ich nicht schlafe, schläft niemand!!» steht darauf. Eine Eigenkreation. Gebracht hat sie: ein Mann.
Was Gefragt ist – und was nicht
Die Ladenhüter:
Schwierig absetzbar sind laut Heinz Eichenberger alle Occasiongegenstände im Hygienebereich. «Da gibt es offenbar eine psychologische Hemmschwelle.» So stehen die «Häfi» schon länger im Regal. Unterwäsche nimmt der Börsenbetreiber deshalb gar nicht an. Durchaus gefragt sind jedoch die Badekleider. «Da drücken die Leute offenbar ein Auge zu.» Wenig gefragt ist laut Eichenberger auch Selbstgestricktes. «Aber solche Sachen erhalte ich auch nicht oft.»lp
Die Renner:
Besonders gut verkaufen lassen sich laut Heinz Eichenberger Kleider für Babys. «Ich kriege in den kleinen Grössen auch sehr viele Sachen angeliefert.» Die seien oft noch in einem sehr guten Zustand, da die Babys rasch aus den Sachen herauswachsen. «Manches ist nicht einmal getragen.» Auch gute Occasionkinderwagen gehören zu den gefragten Gegenständen. Nicht schlecht staunte Eichenberger, als ihm mal jemand einen Wagen, den er zu Werbezwecken vors Geschäft gestellt hatte, kurzerhand gestohlen hat.