Münsingen - In der staubigen Welt der Mühle

Müller Urs Strahm führte gestern Siebtklässler durch seine Mühle. Neue Lehrlinge waren eher nicht darunter.

Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ
Der Münsinger Müller Urs Strahm hat gestern neun Schülerinnen und vier Schülern einen etwa einstündigen Blick in seine Mühlenwelt gewährt. Er hat am Projekttag «Gewerbe trifft Schule» teilgenommen und seine Türen geöffnet. Die Frage, ob ein potenzieller Lehrling oder eine Lehrtochter darunter war, kann er am Ende des Tages leicht beantworten. «Nein», sagt Strahm. Der Projekttag fand gestern zum ersten Mal statt (siehe unten). Etwa vierzig Betriebe und 170 Schülerinnen und Schüler nahmen daran teil. Die Siebtklässler lernten so je drei Betriebe und Berufe kennen. Strahm hatte seine Teilnahme sofort und gerne zugesagt. «Wir haben immer etwas Schwierigkeiten, Lehrlinge zu finden», sagt der Geschäftsführer. Für diesen Sommer hat er noch niemanden in Aussicht. Er mache gerne ein bisschen Werbung für seine Branche.

Futter für Kamele

Um 14 Uhr trifft die letzte Gruppe des Tages ein, David, Karunya, Sara und Laura betreten die trockene, laute und etwas dunkle Welt der Mühle an der Mühletalstrasse. Die Geschichte hat hier ihre Spuren hinterlassen. Zeugnisse einer Mühle gibt es hier seit dem 14. Jahrhundert, Strahm leitet den Familienbetrieb nun in vierter Generation. Zuerst führt er die Jugendlichen ins kleine Labor. «Hier wird beispielsweise die Feuchtigkeit des Getreides gemessen», sagt er. Strahms stellen einerseits Mehl her. Weizen, Roggen und Dinkel werden verarbeitet zu einer Vielzahl verschiedener Sorten. Anderseits wird Tierfutter produziert. «Auch für Bären und Kamele», sagt Strahm. Der Müller führt die Schüler Stock um Stock nach oben bis unters Dach, weist auf die gefährlichen Maschinen und niedrigen Balken hin. Es ist lärmig, oft muss er mit sehr lauter Stimme sprechen, aber das fällt ihm leicht. Strahm ist ja auch erfahrener Politiker und ergreift im Münsinger Gemeindeparlament seit vielen Jahren für die SVP das Wort.

Mässiges Interesse

Die vier Schüler sind zurückhaltend. Nur eine Frage braucht er zu beantworten. Was denn die Voraussetzung für eine Lehrstelle sei, will David wissen. «Ich stelle hier niemanden ohne Schnupperlehre ein», sagt Strahm. «Ob jemand gut in Algebra ist und eine 6 in Deutsch hat, interessiert mich dagegen weniger.»

Aber David hat nicht vor, Müller zu werden. «Es war interessant», sagt er zwar. Doch eher kommt für ihn Hochbauzeichner infrage – am Morgen hat er bei einem Planungsbüro reingeschaut. «Müllerin ist nichts für mich», sagt auch Sara, und Karunya sieht ihren Platz eher in der Medizin. Laura immerhin will noch gar nichts ausschliessen. «Ich komme vom Land, ich will Landwirtin werden», sagt sie. «Als Nebenjob könnte ich mir es aber vorstellen, in einer Mühle zu arbeiten.» Sie wäre eine von wenigen Müllerinnen in der Schweiz. Trotz Lauras Interesse fällt die Bilanz von Urs Strahm zum Projekttag zwiespältig aus. «Siebtklässer sind etwas jung dafür, finde ich.» Sie beschäftigten sich wohl gerade lieber mit anderen Dingen als Berufsbildern und Lehrstellen. «Es wäre wahrscheinlich besser, diesen Anlass mit Achtklässlern durchzuführen.»

Gewerbe trifft Schule

Initiantin des Projekts «Gewerbe trifft Schule» ist Marianne Mägert. Einerseits ist sie als Gemeinderätin in Münsingen für die Bildung zuständig, anderseits ist sie Präsidentin des Gewerbevereins Aaretal. «Es lag für mich auf der Hand, diese beiden Bereiche zu verbinden», sagt Mägert. Inspiriert wurde sie von einem ähnlichen Projekt aus dem Haslital. Die Schule war etwas einfacher zu begeistern als die Unternehmen. «Für die Firmen bedeutet dies natürlich eine zusätzliche Belastung.» Schliesslich waren doch vierzig Unternehmen bereit mitzutun. «Wir möchten die Vielfalt der Berufe und Unternehmen aufzeigen», sagt Mägert. Das Ziel sei es, Berufsbildungen zu fördern. «Es muss ja nicht immer das Gymnasium sein.» Ihr schwebt vor, allfällige weitere Durchführungen auf umliegende Gemeinden auszuweiten.


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Erstellt: 01.06.2013
Geändert: 01.06.2013
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