Münsingen - Die Nachbarn fühlen sich ungerecht behandelt
Jetzt übernimmt die Bio Schwand den grössten Teil des Schwand-Areals. Die Nachbarn sind skeptisch.
Nicht wenige sehen diese kleine, eigene Welt bedroht. Denn beherrscht wird sie nun von der Bio Schwand AG, die dem Kanton zehn Gebäude im Baurecht abkauft. Sie ist eine Herrscherin mit viel Selbstbewusstsein zwar, aber offenbar nur wenig Geld. Diese Mischung kommt bei anderen Bewohnern der Schwand nicht gut an.
Nachbarn sind skeptisch
«Mich stört die auf diesem Areal seit Jahren herrschende Rechtsungleichheit», sagt etwa Kurt Marti, Präsident der Stiftung Therapiehof Schwand, ebenfalls Baurechtsnehmerin. Die Stiftung bietet auf der Schwand seit 1994 Therapien mit Islandpferden für kranke sowie geistig und körperlich behinderte Menschen an. Auch Landwirt Hans Siegenthaler steht der Bio Schwand immer mehr kritisch gegenüber. Zusammen mit Frau, Sohn und Schwiegertochter betreibt er seit vier Jahren Sigis Biohof. Er ist ebenfalls Baurechtsnehmer, und grundsätzlich unterstützt er die Idee des Biozentrums.
«Bevor wir vom Kanton den Zuschlag bekamen, mussten wir einen Finanzierungsnachweis erbringen – und die Gebäude per 1. Januar 2009 bezahlt», sagt der ehemalige SVP-Grossrat und Könizer Gemeinderat Siegenthaler. «Aber die Bio Schwand lässt man einfach gewähren.»
Sichere Mieteinnahmen
Gut und günstig lebte die Bio Schwand AG in den letzten sechs Jahren. Die Kantonsliegenschaften hatte sie zur Gebrauchsleihe erhalten, sie brauchte also keinen Zins zu bezahlen. Im Gegensatz zum Therapiehof. Der überwies dem Kanton zwischen 1994 und 2008 stets einen Zins, pro Jahr rund 26'500 Franken. Nun beträgt der Baurechtszins pro Jahr 6680 Franken; mit den Hypothekarzinsen komme man etwa auf den gleichen Betrag wie früher im Mietverhältnis, sagt Kurt Marti. Er schätzt, dass dem Kanton durch diese «Gratisvermietung» in den letzten sechs Jahren etwa eine Millionen Franken entgangen ist.
Und der Kanton wird für die Bio Schwand weiterhin von Bedeutung sein. Die nun erworbenen Gebäude vermietet sie zum Teil ans Amt für Landwirtschaft und Natur. In der Fragestunde der eben abgelaufenen Grossratssession wurde klar, welchen Preis der Kanton bezahlt: Es sind jährlich rund 360'000 Franken.
Verzögerte Ortsplanung
Bis jetzt hat die Bio Schwand AG bekommen, was sie wollte. Das zeigte sich auch im langwierigen Prozess zur Münsinger Ortsplanungsrevision. Auf der Schwand dauerte alles etwas länger. Weshalb? «Es zeigte sich, dass sich die Absichten der Bio Schwand nicht vollständig mit den neuen Bestimmungen des Baureglements vereinbaren lassen», sagte Münsingens FDP-Gemeinderat Hansueli Schönenberger vor zwei Jahren in den Medien.
In diesem Sommer schliesslich akzeptierte das Münsinger Parlament den Zonenplan – und damit die Wünsche der Bio Schwand. Nicht nur dem SVP-Parlamentarier Hansueli Strahm fiel auf, «dass alles stark auf das Biozentrum ausgerichtet ist».
Der Streit um den Reitplatz
Im Zentrum der Debatte stand auch der Reitplatz des Therapiehofs. Die Stiftung hatte ihn vor Jahren in der Landwirtschaftszone der Schwand gebaut, 30'000 Franken bezahlt – mit dem Segen dreier kantonaler Stellen, aber fälschlicherweise ohne Baubewilligung. Nun darf sie den Reitplatz noch bis 2016 benützen, dann muss sie ihn an den Rand des Schwand-Geländes verlegen.
Heinz Iseli, Verwaltungsratspräsident der Bio Schwand, sagt dazu, dass dies von allen beteiligten Parteien vereinbart worden sei, also auch vom Therapiehof und vom Biohof. Allerdings liegt der Reitplatz in der Nähe eines Gebäudes, in dem die Bio Schwand dereinst eine Käserei einrichten will.
Darum sagt Kurt Marti: «Die Bio Schwand wird prioritär behandelt.» Und er wiederholt, was bereits SP-Politiker Roland Beeri in der Parlamentsdebatte sagte: «Die Behinderten werden an den Rand gedrängt.»
Nur der Nüssler ist erwünscht
Auch Sigis Biohof wurde ausgebootet. Jedenfalls ist die Züpfe von Hans Siegenthalers Frau Annemarie im Laden der Bio Schwand jetzt nicht mehr erwünscht. «Es ist doch seltsam, wenn unsere Produkte, die wir in unmittelbarer Nähe herstellen, nicht akzeptiert werden», sagt der Biobauer.
Verwaltungsrat Iseli sagt, dass es dazu keine Abmachungen gebe. Die Bio Schwand verkaufe nun eben die eigene Züpfe. Und Produkte des Biohofs gebe es sehr wohl zu kaufen. Generell ist er etwas überrascht über die Anschuldigungen. Man komme miteinander klar.
«Meinungsverschiedenheiten gibt es überall in der Welt», sagt Iseli. Auch auf der kleinen und eigenen Welt Schwand.
Zahltag
Heute Samstag ist der Stichtag für die Bio Schwand AG, die in Münsingen ein Zentrum für die Herstellung und den Vertrieb von Bioprodukten etablieren will. Ab jetzt ist die Bio Schwand AG Baurechtsnehmerin, der Kanton Bern ist Baurechtsgeber und zugleich Mieter auf der Schwand.
Vergangenen Mittwoch hat der Regierungsrat die Rückmietverträge genehmigt, wie gestern das Amt für Grundstücke und Gebäude bestätigte. Mit dieser Sicherheit könnten nun die Zahlung ausgelöst werden, sagt Heinz Iseli von der Bio Schwand. Der Preis dürfte rund 10 Millionen Franken betragen, wovon drei Viertel durch Hypotheken finanziert werden. Wie die Bio Schwand sind auch Sigis Biohof sowie die Stiftung Therapiehof Baurechtsnehmer.
Alle Verträge laufen bis 2058. Auf der Schwand als Pächter oder als Mieter ansässig sind unter anderen Betriebe wie die Agro Treuhand AG, die Vatter AG und eine Gärtnerei.