Münsingen - Die Mutter von 100 Vogelscheuchen
Das Schlossgut wird zum internationalen Vogelscheuchen-Mekka: Festivalmacherin Sonja Grossenbacher ist fasziniert davon, was sich die Bastler alles einfallen lassen.
In Münsingen läuft zurzeit das erste internationale Vogelscheuchenfestival. Was muss man sich darunter vorstellen?
Sonja Grossenbacher: Hier im Schlossgutpark sind momentan rund 100 Vogelscheuchen zu sehen, und weitere werden dazukommen. Sie wurden von Leuten aus der ganzen Schweiz und auch aus dem Ausland gebaut und hergebracht. Es ist ein kunterbunter Mix von ganz einfachen Vogelscheuchen bis hin zu wahren Kunstwerken. Zum Teil sind sie mit unglaublich vielen Details ausgestattet.
Das klingt nach viel Arbeit und Herzblut – gibt es eine Art Vogelscheuchenszene?
Eher nicht. Wir haben die Leute dazu aufgerufen, und vieles ist über Mund-zu-Mund-Propaganda entstanden. Wir haben fünf Wettbewerbskategorien: Familie, Einzelperson, Firma, Verein und Schulklasse. Quer durch alle Kategorien haben wir viele Vogelscheuchen erhalten. Es ist fantastisch, wie die Leute mitmachen.
Was macht eine gute Vogelscheuche aus?
Rein praktisch gesehen, sind wohl flattrige und geräuschvolle Elemente am effektivsten. Fürs Festival spielt das aber keine Rolle. In meinen Augen muss etwas Schräges, Fantasievolles dran sein. Andererseits haben auch ganz einfache Vogelscheuchen einen Charme.
Vögel trauen sich nun wohl kaum mehr aufs Schlossgutareal.
(Lacht.) Tatsächlich hatte es im Mai noch viele Krähen, und vor zwei Tagen fiel mir auf, dass fast keine mehr hier sind. Ich weiss aber nicht, ob das wirklich an uns liegt.
Ernsthaft: Werden Vogelscheuchen heute noch eingesetzt?
Kaum mehr. Ich bin keine Landwirtin, aber heute arbeitet man wohl eher mit programmierten Knalleffekten.
Was können uns Vogelscheuchen heute dennoch sagen?
Für mich ist die Fröhlichkeit das Wichtigste. Wenn die Leute her-kommen und die Vogelscheuchen zusammen aufbauen, kommen mir manchmal fast die Tränen. Sei es eine Männergruppe, seien es Grosseltern mit Kindern – man macht etwas zusammen und lacht viel, das Teamwork ist faszinierend. Im Alltag bewegen wir uns oft in festen Bahnen. Vogelscheuchen hingegen sind in kein System reingedrückt. Man ist ganz frei.
Wie werden die Vogelscheuchen am Wettbewerb bewertet?
Die Besucher können mit einem Talon in jeder Kategorie ihren Fa-voriten wählen. Am Schlussevent macht eine Jury den Stichentscheid, und dann gibt es eine grosse Vogelscheuenversteigerung, bei der jeder mitmachen kann. Der ganze Erlös geht ans SOS-Kinderdorf.
In der Jury sitzen Ex-Missen und Schlagersängerin Monique. Sind solche Promis dafür besonders geeignet?
Das hat sich so ergeben. Wir hatten verschiedene bekannte Personen angefragt. SRF-Wetterfee Sandra Boner zum Beispiel hat mit ihren Kindern eine Vogel-scheuche gebaut – eine mit roten Haaren.
Sie haben das Festival initiiert. Wie kamen Sie dazu?
Einerseits wollte ich dieses alte Brauchtum wieder aufleben lassen. Andererseits können wir damit auch einen Beitrag für einen guten Zweck leisten. Es erschüttert mich, wenn ich sehe, wie Kinder in Syrien oder anderen Ländern ums Überleben kämpfen müssen. Die Vogelscheuchen hatten ja früher auch mit Überleben zu tun. Da sehe ich eine Verbindung.
Wann besucht man das Festival am besten?
Man kann jeden Tag kommen. Neben den Vogelscheuchen haben wir auch eine Beiz, Outdoor-Holzspielsachen und eine offene Bühne mit Konzerten. Die Veranstaltungen werden auf der Website aktualisiert. Wer noch Vogelscheuchen bauen will, kann sie bringen und versteigern lassen. Der Wettbewerb ist geschlossen.
[i] Infos und Öffnungszeiten: www.vogelscheuchen-festival.com