Münsingen - Die Kritiker dürfen nicht mitreden

Im Vorfeld der Abstimmung über Tempo 30 organisiert die Gemeinde einen Infoanlass. Ins Grossaufgebot der Referenten schafften es allerdings keine Gegner.

Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ
Heute in einer Woche findet in Münsingen die Informationsveranstaltung «Tempo-30-Zone Ortsteil West» statt – mit einem Grossaufgebot an Referenten. Gemeindepräsident Erich Feller (FW) und Gemeinderat Hans Rudolf Schönenberg (FDP) treten auf, ein Verkehrsplaner stellt das Projekt vor. Dazu sind die Verkehrskommission, der Elternrat und die Schule vertreten, ebenso wird eine Anwohnerin sprechen. Und von den Erfahrungen in Köniz mit Tempo 30 berichtet schliesslich Gemeinderätin Katrin Sedlmayer.

Initiative gegen Tempo 30

Man darf davon ausgehen, dass sämtliche acht Teilnehmenden die geplante Verkehrsberuhigung befürworten. Allerdings ist diese Massnahme in Münsingen umstritten, und sie ist ein Politikum. Am 3. März wird über Tempo 30 im Ortsteil West an der Urne entschieden. Letztes Jahr sammelte ein Initiativkomitee um Reto Gertsch erfolgreich Unterschriften gegen diese vom Parlament beschlossene Massnahme. Gertsch ist Vizepräsident der SVP Münsingen.

Im Dezember 2011 hatte das Münsinger Parlament die Einführung von Tempo 30 im gesamten Dorfteil westlich der Bahnlinie sowie einen Kredit von 570 000 Franken gutgeheissen. Mit einem Ja zur Initiative wird dieser Beschluss aufgehoben.

Initianten nicht eingeladen

Am Informationsanlass von nächster Woche, zu dem «der Gemeinderat und das Parlament von Münsingen» laden, sind die Kritiker aber nicht vertreten. «Ich hätte gerne an der Veranstaltung teilgenommen», sagt Gertsch, «aber ich habe keine Einladung erhalten.» Übermässig erstaunt ist Gertsch allerdings nicht: «Das passt ins Bild. Münsingen hat ganz einfach Mühe mit dem Volkswillen. Das zeigt sich auch an vielen vergangenen Abstimmungen, die der Gemeinderat und das Parlament verloren haben.» Und es zeigt sich aus Sicht der Initianten auch daran, dass der Gemeinderat kürzlich eine zweite Initiative für ungültig erklärt hat (siehe Kasten oben). Ebenso Mitinitiant Andreas Wicki von der Jungen SVP Münsingen stört sich daran. «Wenn diese Politik normal sein soll, dann habe ich Mühe mit unserer Demokratie.» Doch Reto Gertsch ist überzeugt, dass sich die Bevölkerung trotz fehlender kritischer Stimmen an der Veranstaltung «nicht einlullen lassen wird».

Nur ein Informationsanlass

Aus Sicht von Gemeinderat Schönenberg ist der Anlass vom 19. Februar aber klar kein politischer Anlass. «Wir wollen nur informieren und unser Projekt vorstellen», sagt der Vorsteher des Ressorts Bau. «Das haben wir für die Bevölkerung noch nicht gemacht.» Die Redner seien ausschliesslich Fachleute. Der Zeitpunkt sei schon im letzten Dezember festgelegt worden, und so habe man auch nicht in Betracht gezogen, den Initianten einzuladen. Kurz: «Der Anlass hat nichts mit der Initiative zu tun.» Der Flyer dazu aber kommt nicht ohne die Erinnerung an die Abstimmung vom 3. März aus. Und auch dieser Hinweis fehlt nicht: «Das Parlament empfiehlt den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern, die Initiative abzulehnen.»


Beschwerde: «Ein beispielloser Akt»
Im vergangenen Jahr hat die Junge SVP für gleich zwei Initiativen erfolgreich Unterschriften gesammelt. Über die erste, die sich gegen Tempo 30 richtet, wird nun abgestimmt (siehe Haupttext). Die zweite Initiative aber, welche Tempo 50 auf der Belpbergstrasse und in der Sägegasse verlangt, wurde im November vom Gemeinderat für ungültig erklärt. Sie widerspreche dem Strassenverkehrsrecht. Zudem liege die Anordnung von Verkehrsmassnahmen nicht in der Kompetenz der Stimmberechtigten, begründete der Gemeinderat seinen Entscheid. Dagegen hat Initiant Reto Gertsch Beschwerde beim Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland eingelegt. Der Entscheid ist hängig. Gertsch stört es vor allem, dass die Initiative zwar zuerst die Vorprüfung durch die Verwaltung überstanden hat, aber nach dem Zustandekommen nicht mehr die Prüfung durch den Gemeinderat. «Das ist in Münsingen ein beispielloser Akt», sagt Gertsch. Münsingens Bauverwalter Martin Niederberger und der zuständige Gemeinderat Hans Rudolf Schönenberg wollten sich mit dem Hinweis auf das laufende Verfahren nicht zur Beschwerde äussern.

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Erstellt: 12.02.2013
Geändert: 12.02.2013
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