Münsingen - Der Rebell ist leise geworden
Reto Gertsch aus Münsingen wurde als junger, aufmüpfiger SVP-Politiker bekannt. So bekannt, dass er Gemeinderat wurde. Seither ist es still um ihn geworden. Was ist passiert? Und was denkt er über seine Anliegen von früher?
Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ
Es ist so weit. Durch diesen Artikel wird der Name Reto Gertsch wieder einmal in der Schweizer Mediendatenbank auftauchen. Der letzte Treffer stammt zwar erst vom 30. November 2015 – bloss war da der Motorsägenkünstler Reto Gertsch aus Jens gemeint. Der jüngste Eintrag zum Politiker Reto Gertsch aus Münsingen hingegen ist tausend Tage alt. Am 30. November 2013 berichtete die Berner Zeitung über die Ressortzuteilung im neuen Gemeinderat: «Reto Gertsch (SVP/Sicherheit)». Dann wurde es still um ihn.
Das wäre nichts Besonderes, hätte Gertsch von 2011 bis 2013 nicht regelmässig für ziemlich viel Lärm gesorgt. Als aufmüpfiger Jungpolitiker der SVP hielt er die Behörden auf Trab mit seinem Kampf gegen Verkehrsberuhigungen (siehe unten).
In einer neuen Rolle
Am Mittwochmittag sitzt Reto Gertsch in einem Sitzungszimmer der Gemeindeverwaltung. Am Nachmittag findet die Sitzung des Gemeinderats statt. Seit zweieinhalb Jahren gehört er dazu, gehört er zum Münsinger Politestablishment. Der Rollenwechsel sei ihm leichtgefallen, sagt der 33-Jährige. Die Arbeit gefalle ihm, die Zusammenarbeit im Rat funktioniere gut.
Aber anders als früher steht er kaum mehr in der Öffentlichkeit. Im Parlament musste er erst ein einziges Geschäft vertreten – was er mit Humor nimmt: «Man kann sich streiten, ob das Taxireglement zum Ressort Sicherheit gehört – aber wenigstens durfte ich auch mal was sagen.»
Und eben: null Treffer in der Mediendatenbank seit einer halben Ewigkeit bis gestern. «Es ist doch ein gutes Zeichen, wenn der Sicherheitsverantwortliche der Gemeinde nicht im Fokus steht», sagt Gertsch. Früher habe er den Weg an die Medien nur gesucht, um sein Ziel zu erreichen.
Schikane und Willkür
Auf dem Tisch im Zimmer liegen ein paar ausgedruckte Zeitungsartikel. Während des Tempostreits kam Gertsch oft zu Wort, und nicht selten lieferte er kernige Zitate. Zum Beispiel: «Tempo 30 ist ein links-grünes ideologisches Verkehrskonzept, das die Autofahrer schikanieren und verdrängen will.» Was sagt er heute dazu? «Ich finde Tempo 30 noch immer falsch, aber ich kann damit leben.» Eigentlich möchte er nicht immer auf dieses Thema reduziert werden. Und doch: In der Bevölkerung brodle es weiter. «Ich werde jede Woche angesprochen, ob man nicht etwas unternehmen könnte.»
Mehr als das knappe Nein zu seiner Tempo-30-Initiative ärgerte ihn jedoch, dass eine zweite Initiative vom Gemeinderat für ungültig erklärt wurde. Dabei hatte sie die Vorprüfung durch die Verwaltung bestanden. Gertschs Kommentar damals: «Das ist in Münsingen ein beispielloser Akt. Was hier passiert, ist Willkür und Missachtung der Demokratie. »
Eine Frechheit
Das sei eine ganz und gar unschöne Sache gewesen, erinnert sich Gertsch. «Der Gemeindeschreiber hat uns das Okay gegeben, dann wurden wir vom Gemeinderat gestoppt.» Ungeachtet seiner Person sei dies eine «Frechheit gegenüber Bürgern».
Als Gemeinderat reagierte Gertsch: In der laufenden Revision der Gemeindeordnung sei versucht worden, den Passus zu streichen, wonach der Gemeinderat nicht an die Vorprüfung gebunden sei. «Laut Juristen ist das leider nicht möglich.» Der Gemeinderat habe aber gelernt. «Es ist uns ein Anliegen, dass das nicht noch mal passiert.»
Schliesslich liegt vor Gertsch eine Aussage, die im Zusammenhang mit einer Dorfposse steht: Als die Gemeinde vor der Abstimmung zu Tempo 30 einen Anlass organisierte, standen auf der Referentenliste acht Befürworter, aber kein einziger Gegner. Auch nicht Gertsch. Am Ende wurde er doch noch eingeladen, aber schon vorher hatte er geschimpft: «Münsingen hat ganz einfach Mühe mit dem Volkswillen.»
«Ich fühlte mich wirklich nicht ernst genommen», sagt er heute. Und er habe wirklich gedacht, dass Münsingen am Volk vorbei politisiere. «Zu dieser Aussage stehe ich noch heute.» Er glaube aber, dass der Gemeinderat einen Schritt in die richtige Richtung gemacht habe. «Auch dem Gemeindepräsidenten ist es ein grosses Anliegen, dass wir näher an die Bevölkerung kommen.»
Noch immer ein Rebell
Reto Gertsch steht auf, bald beginnt die Sitzung. «Bei Themen, die Fleisch am Knochen haben, wird debattiert, und manchmal wird es laut.» Zwar bedauert er, dass seine Wähler oft nicht erfahren, welche Meinungen er vertritt. Gegen aussen müsse er schliesslich wie alle anderen die Meinung des Gemeinderats vertreten. «Aber ich bin immer noch ein Rebell, nur hinter verschlossenen Türen.»
Gertschs Kampf
Nachdem das Parlament Münsingen die Einführung von Tempo 30 im Ortsteil West beschlossen hatte, lancierte Reto Gertsch Ende 2011 zwei Initiativen gegen diese Massnahme. Mit der Unterstützung der kantonalen Jungen SVP, aber ohne jene der lokalen SVP, brachte er die nötigen Unterschriften mühelos zusammen. Gemeinderat Hansruedi Schönenberger (FDP) hatte «überhaupt keine Freude». Mit der ersten Initiative wollte Gertsch die Tempobeschränkung aufheben – sie wurde vom Stimmvolk mit 50,7 Prozent Stimmen hauchdünn abgelehnt. Mit der zweiten Initiative wollte Gertsch Tempo 30 auf der Sägegasse und der Belpbergstrasse verhindern – sie wurde vom Gemeinderat letztlich für ungültig erklärt.
Das wäre nichts Besonderes, hätte Gertsch von 2011 bis 2013 nicht regelmässig für ziemlich viel Lärm gesorgt. Als aufmüpfiger Jungpolitiker der SVP hielt er die Behörden auf Trab mit seinem Kampf gegen Verkehrsberuhigungen (siehe unten).
In einer neuen Rolle
Am Mittwochmittag sitzt Reto Gertsch in einem Sitzungszimmer der Gemeindeverwaltung. Am Nachmittag findet die Sitzung des Gemeinderats statt. Seit zweieinhalb Jahren gehört er dazu, gehört er zum Münsinger Politestablishment. Der Rollenwechsel sei ihm leichtgefallen, sagt der 33-Jährige. Die Arbeit gefalle ihm, die Zusammenarbeit im Rat funktioniere gut.
Aber anders als früher steht er kaum mehr in der Öffentlichkeit. Im Parlament musste er erst ein einziges Geschäft vertreten – was er mit Humor nimmt: «Man kann sich streiten, ob das Taxireglement zum Ressort Sicherheit gehört – aber wenigstens durfte ich auch mal was sagen.»
Und eben: null Treffer in der Mediendatenbank seit einer halben Ewigkeit bis gestern. «Es ist doch ein gutes Zeichen, wenn der Sicherheitsverantwortliche der Gemeinde nicht im Fokus steht», sagt Gertsch. Früher habe er den Weg an die Medien nur gesucht, um sein Ziel zu erreichen.
Schikane und Willkür
Auf dem Tisch im Zimmer liegen ein paar ausgedruckte Zeitungsartikel. Während des Tempostreits kam Gertsch oft zu Wort, und nicht selten lieferte er kernige Zitate. Zum Beispiel: «Tempo 30 ist ein links-grünes ideologisches Verkehrskonzept, das die Autofahrer schikanieren und verdrängen will.» Was sagt er heute dazu? «Ich finde Tempo 30 noch immer falsch, aber ich kann damit leben.» Eigentlich möchte er nicht immer auf dieses Thema reduziert werden. Und doch: In der Bevölkerung brodle es weiter. «Ich werde jede Woche angesprochen, ob man nicht etwas unternehmen könnte.»
Mehr als das knappe Nein zu seiner Tempo-30-Initiative ärgerte ihn jedoch, dass eine zweite Initiative vom Gemeinderat für ungültig erklärt wurde. Dabei hatte sie die Vorprüfung durch die Verwaltung bestanden. Gertschs Kommentar damals: «Das ist in Münsingen ein beispielloser Akt. Was hier passiert, ist Willkür und Missachtung der Demokratie. »
Eine Frechheit
Das sei eine ganz und gar unschöne Sache gewesen, erinnert sich Gertsch. «Der Gemeindeschreiber hat uns das Okay gegeben, dann wurden wir vom Gemeinderat gestoppt.» Ungeachtet seiner Person sei dies eine «Frechheit gegenüber Bürgern».
Als Gemeinderat reagierte Gertsch: In der laufenden Revision der Gemeindeordnung sei versucht worden, den Passus zu streichen, wonach der Gemeinderat nicht an die Vorprüfung gebunden sei. «Laut Juristen ist das leider nicht möglich.» Der Gemeinderat habe aber gelernt. «Es ist uns ein Anliegen, dass das nicht noch mal passiert.»
Schliesslich liegt vor Gertsch eine Aussage, die im Zusammenhang mit einer Dorfposse steht: Als die Gemeinde vor der Abstimmung zu Tempo 30 einen Anlass organisierte, standen auf der Referentenliste acht Befürworter, aber kein einziger Gegner. Auch nicht Gertsch. Am Ende wurde er doch noch eingeladen, aber schon vorher hatte er geschimpft: «Münsingen hat ganz einfach Mühe mit dem Volkswillen.»
«Ich fühlte mich wirklich nicht ernst genommen», sagt er heute. Und er habe wirklich gedacht, dass Münsingen am Volk vorbei politisiere. «Zu dieser Aussage stehe ich noch heute.» Er glaube aber, dass der Gemeinderat einen Schritt in die richtige Richtung gemacht habe. «Auch dem Gemeindepräsidenten ist es ein grosses Anliegen, dass wir näher an die Bevölkerung kommen.»
Noch immer ein Rebell
Reto Gertsch steht auf, bald beginnt die Sitzung. «Bei Themen, die Fleisch am Knochen haben, wird debattiert, und manchmal wird es laut.» Zwar bedauert er, dass seine Wähler oft nicht erfahren, welche Meinungen er vertritt. Gegen aussen müsse er schliesslich wie alle anderen die Meinung des Gemeinderats vertreten. «Aber ich bin immer noch ein Rebell, nur hinter verschlossenen Türen.»
Gertschs Kampf
Nachdem das Parlament Münsingen die Einführung von Tempo 30 im Ortsteil West beschlossen hatte, lancierte Reto Gertsch Ende 2011 zwei Initiativen gegen diese Massnahme. Mit der Unterstützung der kantonalen Jungen SVP, aber ohne jene der lokalen SVP, brachte er die nötigen Unterschriften mühelos zusammen. Gemeinderat Hansruedi Schönenberger (FDP) hatte «überhaupt keine Freude». Mit der ersten Initiative wollte Gertsch die Tempobeschränkung aufheben – sie wurde vom Stimmvolk mit 50,7 Prozent Stimmen hauchdünn abgelehnt. Mit der zweiten Initiative wollte Gertsch Tempo 30 auf der Sägegasse und der Belpbergstrasse verhindern – sie wurde vom Gemeinderat letztlich für ungültig erklärt.